Interkulturelle Faktoren deutsch-polnischer Joint Ventures


Diplomarbeit, 2007

49 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Ausgangslage und Problemstellung
1.2. Ziel dieser Arbeit

2. Kulturdimensionen gemäß Hofstede
2.1. Das Hofstede- Modell und seine Bedeutung für das interkulturelle Marketing
2.1.1. Hofstedes Kulturdimensionen
2.1.2. Machtdistanz
2.1.2. Individualismus versus Kollektivismus
2.1.3 Maskulinität versus Femininität
2.1.4. Unsicherheitsvermeidung
2.2. Darstellung der Hofstede- Werte von Polen mit Deutschland im Vergleich

3. Kulturdimensionen gemäß Hall/ Hall
3.1. Das Modell von Hall und seine Bedeutung für das interkulturelle Marketing
3.1.1. Die Direktheit der Kommunikation
3.1.2. Schnelle und langsame Botschaften
3.1.3. Zeitverständnis
3.1.4. Territorialität
3.2. Mögliche Unterschiede Polens zur deutschen Ausprägung nach Hall/ Hall

4. Interkulturelle Einordnung Polens
4.1. Die kulturelle Identität Polens und ihre Besonderheiten
4.2. Die Assoziationen der Polen zu Deutschland und deren Ursachen
4.3. Einflüsse der post- kommunistischen Phase auf das polnische Management
4.4. Probleme deutscher Unternehmen in Polen
4.5. Interkulturelles Marketing als Lösungsansatz

5. Fallbeispiel: Ein deutsch- polnisches Logistikunternehmen
5.1. Logistikunternehmen im Globalisierungsprozess
5.2. Ein deutsch- polnisches Joint Venture

6. Empirische Untersuchung
6.1. Festlegungen der Untersuchungsziele und Methoden der Befragung
6.2. Die Expertenauswahl
6.3. Kritische Analysen der Werteerhaltungsumfrage nach Hofstede
6.4. Kritische Analyse der Fragen von Hall/ Hall, angepasst an die Landeskultur

7. Resümee

8. Literaturverzeichnis

9. Anhang

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2007 als Diplomarbeit im Studiengang Betriebswirtschaft der Universität Hamburg, Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Department Wirtschaft und Politik angenommen. Sie untersucht ein wichtiges Thema, nämlich die Verbindung von Marketing und interkulturellen Faktoren deutsch- polnischer Joint Ventures. Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit der Kulturtheorie von Geert Hofstede und den Kulturdimensionen gemäß Hall/ Hall. Beide Modelle dominieren seit einiger Zeit die kulturtheoretische Diskussion. Die Erreichung der Untersuchungsziele ist in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht schwierig, gilt es doch, nicht nur das Konzept von Hofstede und Hall/ Hall länderspezifisch darzustellen, sondern auch auf seine Verwendbarkeit für international agierende Unternehmen und deren Marketing- Strategie aufzuzeigen. Ausgehend von einer expliziten Darstellung des Hofstede- Modells und einer Diskussion der Hofstede- Werte von Polen und Deutschland im Vergleich sowie einer Erklärung der Kulturtheorie von Hall/ Hall und der Darstellung möglicher Unterschiede Polens zur deutschen Ausprägung, gelingt es, den Einfluss auf das interkulturelle Marketing zusammenfassend darzustellen. Außerdem spielen die interkulturelle Einordnung Polens und der Einfluss der post- kommunistischen Erfahrung auf das interkulturelle Marketing eine wichtige Rolle. Zur Vervollständigung der Studie dienen ein Fallbeispiel anhand eines deutsch- polnischen Logistikunternehmens und eine empirische Untersuchung, in der die Werteerhaltungsumfrage von Hofstede und die Studie der Fragen von Hall/ Hall, angepasst an die deutsch- polnischen Landeskulturen, im Focus der Arbeit stehen. Im Rahmen der Untersuchung wird sichtbar, in welchen verschiedenen Bereichen zusätzlicher Forschungsbedarf besteht. Es bedarf weiterer Untersuchungen, unter anderem durch Wiederholungsstudien. Die Relevanz von Kulturtheorien für das interkulturelle Marketing vor dem Hintergrund zunehmender Globalisierung gewinnt eine immer größere Gewichtung im internationalen Kontext. Die vorliegende Arbeit ermöglicht es für deutsch- polnische Joint Ventures, Win- Win- Situationen und somit Wettbewerbsvorteile zu realisieren.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: The 5D Model of professor Geert Hofstede

Abbildung 2: Ein logistisches Netzwerk

1. Einleitung

1.1. Ausgangslage und Problemstellung

Eine Anpassung an den fortschreitenden Globalisierungsprozess beinhaltet für jeden Kulturkreis die Notwendigkeit, seine gemeinsamen Identitäten möglichst zu bewahren, um in diesem dynamischen Prozess funktionstüchtig und konkurrenzfähig zu bleiben. Die sich ausbreitende „Globalkultur“ wird nicht überall akzeptiert, sondern jeweils auf der Basis einer eigenen kulturellen Identität verarbeitet[1]. Ein mächtiges Netzwerk zunehmender Warenströme macht aus der Welt eine globale Wirtschaft. Der stetige Fall der Transportkosten und die Informationstechnologie sind die Beschleuniger der aktuellen Globalisierungswelle. Für die hieraus resultierenden internationalen Kooperationen, Joint Ventures und länderübergreifenden strategischen Verbindungen gewinnen die interkulturellen Faktoren und das interkulturelle Marketing zunehmend an Bedeutung. Ein Eintritt in neue Ländermärkte bedeutet immer, dass man sich mit differenzierten Gesetzgebungen, anderen Konsumentenbedürfnissen, nicht vergleichbaren Wettbewerbssituationen und kulturellen Unterschieden auseinandersetzen muss. Eine einheitliche, standardisierte, traditionell geprägte Marketing- Ausrichtung im internationalen Rahmen ignoriert dabei oft die interkulturellen Differenzierungen der jeweiligen nationalen Geschäftspartner und deren Märkte. Ein erfolgreiches Marketing- Konzept erreicht man aber nur durch Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, so weit wie möglich standardisiert und so weit wie nötig lokalisiert zu sein. Die Globalisierung und die damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Aktivitäten verursachen Reibungspunkte mit fremden Wirtschaftsräumen und Kulturen. Bei der Analyse und Überwindung dieser Probleme nehmen verschiedene Kulturen, die auf eigenen Werten begründet sind, eine wichtige Rolle ein. Interkulturelle Fragestellungen werden jedoch oft erst dann berücksichtigt, wenn in der Unternehmenspraxis bereits enorme Probleme auftreten. Durch die Fähigkeit von Management und Mitarbeitern, Beziehungen zu anderen Kulturen aufzubauen sowie interkulturelle Synergieeffekte bewusst einzusetzen und zu nutzen, wird es möglich sein, vor dem Hintergrund der fortschreitenden Globalisierung Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Auch die Kenntnisse der Sprache allein garantieren noch keinen Erfolg im Ausland. Erst wenn Kultur, Mentalität und Werte anderer Nationen beachtet und verstanden werden, rückt eine dauerhafte Zusammenarbeit in greifbare Nähe. Es ist daher nötig, auf einer wissenschaftlichen Basis die theoretischen Kulturunterschiede und interkulturellen Faktoren deutlich darzustellen, um eine geeignete interkulturelle Marketing- Ausrichtung im internationalen Kontext sicherzustellen[2].

1.2. Ziel dieser Arbeit

Ziel dieser Arbeit ist es, die oben genannte Problemstellung im interkulturellen Marketing näher zu beleuchten, diese der wissenschaftlichen Literatur gegenüberzustellen, um dann herauszufinden, welche Optimierungspotenziale es in der Marketing- Ausrichtung für deutsch- polnische Joint Ventures im internationalen Kontext gibt.

Für diese Arbeit ergeben sich daher folgende Fragen:

1.) Welche Bedeutung haben interkulturelle Faktoren für eine deutsch- polnische Marketingausrichtung?
2.) Welche kulturellen Besonderheiten besitzen deutsch- polnische Joint Ventures?
3.) Wie kann man Wettbewerbsvorteile durch die Anwendung kulturtheoretischer Modelle im interkulturellen Marketing erreichen?
4.) Besitzen die Kulturdimensionen von Hofstede und Hall/Hall Anwendbarkeitscharakter für das interkulturelle Marketing?

Die Diplomarbeit ist in sieben Kapitel gegliedert. Im Anschluss an die Problemstellung folgt in Kapitel zwei und drei die Auseinandersetzung mit den kulturtheoretischen Grundlagen der Kulturdimensionen gemäß Hofstede und ausgewählten Kulturdimensionen gemäß Hall/ Hall. Dort wird die Bedeutung der Dimensionen der Wertemodelle für das interkulturelle Marketing umfassend erläutert und die erzielten Werte von Polen und Deutschland verglichen. Der vierte Teil der Diplomarbeit setzt sich mit der interkulturellen Einordnung Polens auseinander. Die kulturelle Länderanalyse soll als Grundlage einer Gegenüberstellung Polens und Deutschlands gemäß den Kulturdimensionen von Hofstede und Hall/ Hall verstanden werden. Zusätzlich wird der Einfluss der polnischen Kultur auf das interkulturelle Marketing explizit dargestellt. Der fünfte Teil der Arbeit setzt sich mit einem deutsch- polnischen Joint Venture auseinander. Hierbei werden die besonderen Kriterien eines international agierenden Logistikunternehmens geklärt und erläutert. In Kapitel sechs werden die gewonnenen Erkenntnisse durch eine Expertenbefragung in einer empirischen Untersuchung konkretisiert. Die erzielten Ergebnisse werden kritisch analysiert, ausgewertet und interpretiert. Der siebte Abschnitt der Diplomarbeit stellt die Abrundung der Studie dar. Neben einer Zusammenfassung und einer Gesamtanalyse gibt es einen Ausblick in die Zukunft.

2. Kulturdimensionen gemäß Hofstede

2.1. Das Hofstede- Modell und seine Bedeutung für das interkulturelle Marketing

Das Hofstede- Modell ist eine international anerkannte, kulturvergleichende Managementstudie. In der Kulturforschung stellen die Klassifizierungsmöglichkeiten nationaler Kulturen einen komplett neuen Ansatz dar. In der Studie wird verdeutlicht, wie anpassungsfähig Managementtheorien und- praktiken in differenzierten kulturellen Umgebungen sind. Die Basis der Untersuchung ist eine vom IBM Konzern zwischen 1968 und 1972 durchgeführte Erhebung. Die Untersuchung hatte ein Volumen von circa 60.000 Befragten aus 40 Ländern und 72 nationalen Niederlassungen. Sie umfasste 38 Berufe und 20 Sprachen. Insgesamt wurden mehr als 116.000 Fragebögen mit über 100 einheitlichen Antworten eingesetzt. Die Fragen befassten sich mit persönlichen Werten der Beschäftigten in Bezug auf ihre Arbeitssituation[3]. Die Stichprobe ist nicht repräsentativ für die jeweilige Nation. Dies braucht sie nach Hofstede auch nicht zu sein, da sie nur funktionell äquivalent sein muss. Weitaus wichtiger ist die Homogenität der Stichprobe mit einer einzigen Ausnahme: der Nationalität. So führt Hofstede die Antwortunterschiede allein auf die Staatsangehörigkeit zurück. Hofstede gelangt somit zu dem Schluss, dass es gemeinsame Probleme gibt, die aber von Land zu Land auf unterschiedliche Lösungen treffen[4]. Die Ergebnisse der IBM Studie und die im Anschluss daraus gebildeten Kulturdimensionen werden in den nächsten Punkten explizit beschrieben.

Die Bedeutung des Hofstede- Modells für das interkulturelle Marketing ist unstrittig. Durch die Übereinstimmung mit den bereits bestehenden Ergebnissen verschiedener, teils selbst durchgeführter Wiederholungsstudien von Hofstede in der Schweiz ist die Gültigkeit seiner Ergebnisse über die IBM Ebene hinaus bestätigt worden[5]. Sein Werk Culture´s Consequences ist eines der am häufigsten zitierten und replizierten Studien im internationalen Vergleich. „Die Studie markiert somit einen der wichtigsten Beiträge im Bereich des interkulturellen Marketing“[6]. Die Ergebnisse der Studie dienen als Erklärungsgrundlage und zur Darstellung für unterschiedliches Verhalten in differenzierten Kulturen. Die Untersuchung ist somit auch ein geeignetes Instrument bei der Implikation von Marketingstrategien[7].

2.1.1. Hofstedes Kulturdimensionen

Die Ergebnisse der IBM Studie machten nach statistischer Auswertung deutlich, dass es gemeinsame Probleme im internationalen Kontext gibt, die jeweils länderspezifische Lösungswege bedürfen und zwar in folgenden Bereichen:

- soziale Ungleichheit einschließlich des Verhältnisses zur Arbeit,
- die Beziehung zwischen Individuum und der Gruppe,
- die Vorstellung von Maskulinität und Femininität: die sozialen und emotionalen Auswirkungen, als Junge oder Mädchen geboren zu sein,
- die Art und Weise, mit Unsicherheit und Mehrdeutigkeit umzugehen, die sich als Bezugspunkt für die Kontrolle von Aggression und das Ausdrücken von Emotionen ergeben[8].

Durch die Faktorenanalyse wurden die in der IBM Erhebung gestellten Fragen in kulturelle Cluster eingeteilt, die für mittlere Punktwerte oder Prozentzahlen gemeinsam variierten[9]. Die Kultur ist hier als eine Reihe von Reaktionsmustern von Bürgern mit gleicher mentaler Programmierung anzusehen. Um eindeutig einer Dimension zugeordnet zu werden, müssen die Reaktionsmuster statistisch häufiger in einer Gesellschaft auftreten. Eine Dimension ist dabei ein „Aspekt einer Kultur, der sich im Verhältnis zu anderen Kulturen messen lässt“[10]. Die Einteilung in Dimensionen begründet Hofstede mit einer genaueren, eindeutigeren Bewertung. Auf der Basis von Punktwerten für die Dimensionen lassen sich Fälle empirisch in Ländergruppen mit ähnlichen Punktzahlen einteilen. Die Pole der Dimensionen sind jeweils zwei Extreme. Die Länder liegen zwischen den beiden, meist mit einer Neigung in eine bestimmte Richtung. Hofstede beschreibt vier Dimensionen von Kultur, die später- abgeleitet von einer im asiatischen Raum durchgeführten Studie- um eine erweitert werden und somit seine bis heute gängigen fünf Dimensionen zum Vergleich nationaler Kulturen darstellen. Alle ermittelten Dimensionen sind voneinander abhängig, da sie, wie bereits angesprochen, auf denselben Grundproblemen der Kulturen basieren. Zur Analyse der Dimensionsausprägungen zieht Hofstede verschiedene externe Variablen heran: sowohl wirtschaftliche, geographische als auch demographische Merkmale. Für diese Arbeit werden nur die ersten vier Dimensionen explizit erläutert. Die fünfte Dimension „langfristige versus kurzfristige Orientierung“ (LTO) hat weniger Bezug und Einfluss auf das Thema dieser Studie. Grund hierfür ist der starke Zusammenhang der Dimension LTO mit den Lehren und Werten des Konfuzius[11].

2.1.2. Machtdistanz

Machtdistanz ist eine der Dimensionen, die die Kultur eines Landes bedeutend prägen. Diese Dimension beschreibt die Tatsache, wie mit der Gegebenheit umgegangen wird, dass die Menschen ungleich sind. In Bezug auf die Gesellschaft definiert Hofstede die Machtdistanz wie folgt: „(…) das Ausmaß, bis zu welchem die weniger mächtigen Mitglieder von Institutionen bzw. Organisationen eines Landes erwarten und akzeptieren, dass Macht ungleich verteilt ist“[12]. Auf die beruflichen Beziehungen bezogen meint er, dass „Machtdistanz die emotionale Distanz ausdrückt, die zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten herrscht“[13]. Die Beschreibung von Machtdistanz liegt somit dem Wertesystem der weniger Mächtigen zugrunde. Die Art und Weise, wie Macht verteilt ist, erklärt sich also aus Sicht derer, die geführt werden[14]. Der ermittelte Machtdistanzindex (MDI) besteht aus relativen und keinen absoluten Positionen. Er gibt an, in wieweit die Länder im Vergleich voneinander abweichen. Dass Länder nur einen einzigen Punktwert aufweisen, deutet nicht darauf hin, dass kulturelle Homogenität besteht, sondern nur, dass die zur Verfügung stehenden Daten eine Aufteilung in verschiedene Subkulturen nicht ohne Weiteres zulassen[15]. Die Punktwerte gelten also als Maß für die Unterschiede zwischen nationalen Kulturen und nicht für Kulturen im absoluten Sinn. Die meisten osteuropäischen Länder weisen hohe Indexwerte auf. Niedrige Machdistanzwerte werden für die deutschsprachigen Länder ermittelt[16]. In Gesellschaften mit niedrigen Machtdistanzwerten sind die Menschen daran interessiert, Erklärungen für Machtdifferenzierungen zu erhalten. Es liegt hier eine Tendenz zum Streben nach Machtgleichgewicht vor[17].

2.1.2. Individualismus versus Kollektivismus

Die Dimension, nach der Individuum oder Kollektiv in einer Gesellschaft Vorrang haben, bezieht sich auf individualistische oder kollektivistische Werte, die in einem Kulturraum bevorzugt werden. Individualistische Kulturen sind „Gesellschaften, in denen die Bindungen zwischen den Individuen locker sind; man erwartet von jedem, dass er für sich selbst und für seine unmittelbare Familie sorgt“[18]. Die Selbstverantwortung und die Unabhängigkeit überwiegen in den individualistischen Ländern. Die Minderheit der Menschen in der Welt lebt in Gemeinschaften, in denen das Individuum Vorrang vor den Interessen einer Gruppe genießt[19]. In kollektivistischen Kulturen hingegen dominieren ausgeprägte in- group- Orientierungen. Hier wird der Mensch von Geburt an in starke, geschlossene Beziehungssysteme, die ihn ein Leben lang schützen und dafür Loyalität verlangen, eingegliedert. Die in- group- orientierten Menschen, die eng zusammenleben, sind dabei überwiegend in Großfamilien aufgewachsen. In kollektivistischen Kulturen ist innerhalb der Familie das Bewahren der Harmonie auf Grund des ständigen und intensiven sozialen Kontaktes eine wichtige Fähigkeit, die sich auch auf Bereiche außerhalb der Familie ausdehnt[20]. Direkte Konfrontationen gelten als unerwünscht. Das Aufrechterhalten der Kommunikation ist als wichtiger zu erachten. Verpflichtungen gegenüber der Familie haben eine große Bedeutung. In individualistischen Kulturen gilt es als richtig, seine Meinung direkt und offen zu sagen. Konfrontation kann nützlich sein und der Diskurs führt zu positiven Ergebnissen bei der Wahrheitsfindung. In kollektivistischen Gesellschaften kann der Arbeitsplatz zu einer in- group- orientierten Einheit werden. Zwar unterschiedlich stark ausgeprägt, aber die Auffassung, dass es als wünschenswert gilt, ist überall vorhanden. Die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ähnelt einer familiären Beziehung mit beidseitigen Verpflichtungen, Schutz und Loyalität. Schwache Leistungen sind kein Kündigungsgrund und machen den Zusammenhalt in einer kollektivistischen Gesellschaft deutlich[21]. Leistung und Fähigkeiten entscheiden jedoch, welche Aufgaben an einen Mitarbeiter übertragen werden. In individualistischen Gesellschaften ist die Beziehung am Arbeitsplatz ein geschäftlicher Vorgang. Mangelnde Arbeitsleistungen oder ein besseres Angebot eines anderen Arbeitgebers gelten als legitimer Kündigungsgrund. Unternehmensführung in individualistischen Gesellschaften bedeutet ein Management von Individuen. Unternehmensleitung in kollektivistischen Gesellschaften wird als Management von Gruppen aufgefasst. Problematisch wirkt sich die Tatsache aus, dass Management- und Fortbildungsmethoden fast ausschließlich in individualistischen Ländern entwickelt wurden; sie gründen damit auf Voraussetzungen, die in kollektivistischen Ländern möglicherweise nicht gegeben sind. Während Beurteilungsgespräche und die Fähigkeit, schlechte Nachrichten zu überbringen, oft als wesentliche Fertigkeiten einer erfolgreichen Führungskraft angesehen werden, wird in kollektivistischen Gesellschaften das offene Gespräch häufig als Gesichtsverlust wahrgenommen. Hier sind subtilere und indirektere Möglichkeiten vorteilhafter. Der Entzug von Vergünstigungen oder das Überbringen der Nachricht z.B. durch einen älteren Mitarbeiter verhindern den Gesichtsverlust. Als eine Ursache für Individualismus ist der nationale Wohlstand anzusehen. Dieser Reichtum eines Landes führt zum Zugang zu Ressourcen für die Bürger und ermöglicht es ihnen, eigenständiger zu sein. Es handelt sich demnach nicht um einen kulturellen als vielmehr um einen wirtschaftlichen Unterschied. Es folgt ein Niveau, auf dem es sich fast jeder leisten kann, seinen eigenen Zielen nachzugehen. Hofstede stellt hier eine negative Beziehung von Individualismus und Wirtschaftswachstum fest, so dass seiner Meinung nach diese Entwicklung ihr eigenes Ende bewirkt[22].

2.1.3 Maskulinität versus Femininität

Gesellschaften, die einer maskulinen Orientierung unterliegen und in denen die Rollen der Geschlechter streng unterteilt sind, stehen am stärksten in Zusammenhang mit der Bedeutung, die folgenden Punkten beigemessen wird:

- ein hohes Einkommen erreichen,
- die Möglichkeit des beruflichen Aufstiegs,
- Zufriedenheit durch die Herausforderung bei der Arbeit gefordert zu werden,
- die Anerkennung zu erhalten, die durch Leistung erzielt wurde,
- die Demonstration von Eigentum[23].

Feminin orientierte Gesellschaften überschneiden sich hingegen in ihren Rollenfunktionen oder werden in der maskulinen Denkweise durchaus als gleichberechtigt angesehen[24]. Als feminine Besonderheiten gelten:

- ein gutes Verhältnis zum Vorgesetzten,
- der Freundliche Umgang mit den Arbeitskollegen,
- die Sicherheit des Arbeitsplatzes,
- in einer angenehmen Umgebung zu leben und zu arbeiten.

Die Dimensionsbezeichnung Maskulinität versus Femininität ist durch die verschiedenen Ergebnisse, die bei der IBM- Studie für die männlichen und weiblichen Teilnehmer der Untersuchung erzielt worden sind, entstanden. Hier werden signifikante Ungleichheiten dargestellt. Die mentale Programmierung von Gesellschaften ist in Bezug auf diese Dimension neben sozialer mehr noch von emotionaler Art[25]. Hofstede definiert die Dimension daher wie folgt: „Eine Gesellschaft bezeichnet man als maskulin, wenn die Rollen der Geschlechter emotional klar gegeneinander abgrenzbar sind: Männer haben bestimmt, hart und materiell orientiert zu sei; Frauen dagegen müssen bescheidener, sensibler sein und Wert auf Lebensqualität legen. Als feminin bezeichnet man eine Gesellschaft, wenn sich die Rollen der Geschlechter emotional überschneiden: sowohl Frauen als auch Männer sollen bescheiden und feinfühlig sein und Wert auf Lebensqualität legen“[26]. Auch am Arbeitsplatz sieht Hofstede Unterschiede durch die genannte Dimension. Bei der Konfliktlösung unterscheiden sich die Herangehensweisen. In maskulinen Kulturen soll der Beste gewinnen; in femininen Kulturen dominiert die gemeinsame Kompromisssuche und Verhandlung. Lautet in einer maskulinen Gesellschaft die Arbeitsmoral „leben, um zu arbeiten“ ist der feminine Pol durch die Devise „arbeiten, um zu leben“ besetzt[27]. Die Ursprünge dieser Unterschiede sind die Ergebnisse des Zivilisationsprozesses[28]. In der Auswertung dominieren osteuropäische und asiatische Länder für die maskulinen Werte und für die femininen Punktewerte die skandinavischen und westeuropäischen Länder[29].

[...]


[1] Vgl. Städke, K.: Transformation und Kulturgeschichte: Anmerkungen zur Ostmitteleuropa- Forschung. In: Garsztecki (Hrsg.): Kulturelle Identität und sozialer Wandel Osteuropa: das Beispiel Polen. Krämer- Verlag, Hamburg 1999, S. 22.

[2] Vgl. Emrich, C.: Interkulturelles Marketing- Management; Erfolgsstrategien, Konzepte, Analysen. Deutscher Universitäts- Verlag/ GWV Fachverlage GmbH. 1. Auflage, Wiesbaden 2007, S. V ff..

[3] Vgl. Emrich, C. (2007): Interkulturelles Marketing- Management, S.76.

[4] Vgl. Hofstede, G.: Culture´s Consequences, International Differences in Work- Related Values. Sage Publications: Beverly Hills, London, New Delhi 1980, S. 37 ff..

[5] Vgl. Hofstede, G.: Lokales Denken, globales Handeln. Interkulturelle Zusammenarbeit und globales Management. Beck- Wirtschaftsberater im dtv. 3. Auflage, München 2006, S. 32.

[6] Emrich, C. (2007): Interkulturelles Marketing- Management, S. 97.

[7] Vgl. Emrich, C.(2007): Interkulturelles Marketing- Management, S. 97- 101.

[8] Vgl. Hofstede, G. (2006): Lokales Denken, globales Handeln, S. 29.

[9] Vgl. Hofstede, G. (2006): Lokales Denken, globales Handeln , Abb. 3.1, S. 112.

[10] Hofstede, G.: Interkulturelle Zusammenarbeit: Kulturen- Organisationen- Management. Gabler- Verlag. Wiesbaden 1993, S. 29.

[11] Vgl. Emrich, Christin (2007): Interkulturelles Marketing- Management, S. 97.

[12] Hofstede, G. (2006) : Lokales Denken, globales Handeln, S. 59.

[13] Hofstede, G. (2006) : Lokales Denken, globales Handeln, S. 53.

[14] Hofstede, G. (2006) : Lokales Denken, globales Handeln, S. 55.

[15] Hofstede, G. (2006) : Lokales Denken, globales Handeln, S. 57.

[16] Vgl. Hofstede, G. (2006): : Lokales Denken, globales Handeln , Tabelle 2.1, S. 56.

[17] Vgl. Emrich, C. (2007): Interkulturelles Marketing- Management, S. 77.

[18] Hofstede, G. (2006) : Lokales Denken, globales Handeln, S. 102.

[19] Vgl. Hofstede, G. (2006): Lokales Denken, globales Handeln, S. 101.

[20] Vgl. Emrich, C. (2007): Interkulturelles Marketing- Management, S. 79-81.

[21] Vgl. Hofstede, G. (2006): Lokales Denken, globales Handeln, S. 134.

[22] Vgl. Hofstede, G. (2006): Lokales Denken, globales Handeln, S. 149 ff..

[23] Vgl. Emrich, C. (2007): Interkulturelles Marketing- Management, S. 82.

[24] Vgl. Kutschker, M. /Schmid, S.: Internationales Marketing, Wien: Oldenbourg 2002, S. 709.

[25] Vgl. Hofstede, G. (2006): Lokales Denken, globales Handeln, S.164. ff..

[26] Hofstede, G.(2006): Lokales Denken, globales Handeln, S.165.

[27] Vgl. Hofstede, G. (2006): Lokales Denken, globales Handeln, S.194. ff..

[28] Vgl. Hofstede, G. (2006): Lokales Denken, globales Handeln, S.216. ff..

[29] Vgl. Hofstede, G. (2006): Lokales Denken, globales Handeln , Tabelle 4.1, S. 166.

Ende der Leseprobe aus 49 Seiten

Details

Titel
Interkulturelle Faktoren deutsch-polnischer Joint Ventures
Hochschule
Universität Hamburg  (Universität Hamburg, Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften)
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
49
Katalognummer
V88933
ISBN (eBook)
9783638037112
ISBN (Buch)
9783638933575
Dateigröße
693 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Auszüge aus dem Gutachten zur Diplomarbeit: "...Der Verfasser hat sich bereits mit der Wahl des Themas an eine sehr aktuelle und komplexe Problematik herangewagt, die sehr gut herausgearbeitet ist...Es wird beispielhaft der interkulturelle Marketingansatz der Modelle von Hofstede und Hall/Hall aufgezeigt und die Unterschiede zwischen Polen und Deutschland herausgearbeitet. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden mittels des interkulturellen Fragebogens VSM 94 von Hofstede kritisch hinterfragt und Probleme identifiziert." Die Diplomarbeit wurde am 02.02.2008 als herausragend ausgezeichnet.
Schlagworte
Interkulturelle, Faktoren, Joint, Ventures
Arbeit zitieren
Diplom-Betriebswirt Kai Gerkens (Autor:in), 2007, Interkulturelle Faktoren deutsch-polnischer Joint Ventures, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88933

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