Sozial ist, was Arbeit schafft?

Beschäftigungsfördernde Maßnahmen aus der Sicht von Gerechtigkeits- und Sozialstaatskonzeptionen


Magisterarbeit, 2006

118 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung

2 Gerechtigkeits- und Sozialstaatskonzeptionen
2.1 Egalitäre Perspektive
2.1.1 Egalitäre Konzeptionen der Gerechtigkeit
2.1.2 Egalitäre Konzeptionen des Sozialstaates
2.1.3 Kritik am Egalitarismus
2.2 Liberale Perspektive
2.2.1 Liberale Konzeptionen der Gerechtigkeit
2.2.2 Liberale Konzeptionen des Sozialstaates
2.2.3 Kritik am Liberalismus
2.3 Monistische Perspektive
2.3.1 Monistische Konzeptionen der Gerechtigkeit
2.3.2 Monistische Konzeptionen des Sozialstaates
2.3.3 Kritik an monistischen Konzeptionen

3 Probleme, Ursachen und Auswege der Arbeitslosigkeit
3.1 Probleme der Arbeitslosigkeit
3.2 Ursachen der Arbeitslosigkeit
3.3 Erwerbsarbeitszentrierte Wege aus der Arbeitslosigkeit
3.4 Implikationen für eine praktische Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

4 Wege aus der Arbeitslosigkeit aus der Sicht von Gerechtigkeits- und Sozialstaatskonzeptionen
4.1 Wege aus der Arbeitslosigkeit aus egalitärer Perspektive
4.2 Wege aus der Arbeitslosigkeit aus liberaler Perspektive
4.3 Wege aus der Arbeitslosigkeit aus monistischer Perspektive

5 Zusammenfassung, Ausblick und Schlussbemerkung
5.1 Zusammenfassende Betrachtung
5.2 Empirischer Ausblick
5.3 Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildungen im Text

Abb. 1: Fragestellung „Ist sozial was Arbeit schafft?“

Abb. 2: Orthogonale Positionierung zum Wertedualismus: Eigenverantwortung im Dienste der Solidarität

Abb. 3: Gründe für Arbeitslosigkeit und mögliche Ansatzpunkte für Gegenmaßnahmen

Abb. 4: Übersicht über erwerbsarbeitszentrierte Strategien zur Bewältigung von Arbeitslosigkeit

Abb. 5: Beschäftigungsfördernde Maßnahmen und das Differenzprinzip

Abb. 6: Theoretische Zusammenfassung

Abb. 7: Zustimmung zu beschlossenen Reform-Maßnahmen

Abbildungen im Anhang

Abb. A1: Effizientere Allokation durch Umverteilung und Bildung

Abb. A2: Graphische Darstellung des Differenzprinzips nach Rawls

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einführung

Der deutsche Sozialstaat erlebt derzeit eine Finanz- und Legitimationskrise, die droht, sich zu einer politischen und gesellschaftlichen Sinn- und Orientierungskrise auszuweiten. Besonders dem Problem der Massenarbeitslosigkeit steht der deutsche Sozialstaat hilf- und ratlos gegenüber. Schlimmer noch, angesichts der hohen Sozialausgaben wird der Faktor Arbeit zunehmend verteuert. So gilt der Sozialstaat mitverantwortlich für die hohe Arbeitslosigkeit und erweist sich als Hindernis einer möglichst breiten Verteilung des Gutes Arbeit. Obgleich diese Entwicklung bereits seit Jahrzehnten absehbar ist, konnten sich die relevanten Akteure, die Politiker, Journalisten und Interessensgruppenvertreter, lange Zeit nicht auf eine Verständigungsgrundlage und einheitliche Problemwahrnehmung einigen. Erst mit fortschreitender Zuspitzung der Probleme am Arbeitsmarkt und im Staatshaushalt scheint ein Prinzip auf dem besten Wege, zu einer solchen Verständigungsgrundlage zu avancieren: „Sozial ist was Arbeit schafft“ – im Folgenden mit „SIWAS“ abgekürzt. Es wird vermehrt von der deutschen Politik bemüht,[1] um Reformmaßnahmen zu rechtfertigen. Und auch in der öffentlichen Meinung scheint diese Interpretation von sozial angesichts der Anerkennung von Arbeitslosigkeit als Hauptübel der derzeitigen Wirtschaftsmisere auf Zustimmung zu stoßen. Ob auch aus wissenschaftlicher Sicht SIWAS Geltung erlangen kann wird diese Arbeit klären.

Dazu wird die zentrale Fragestellung - ist sozial was Arbeit schafft? - in drei Unterfragen aufgegliedert: Was ist S ozial? W as s chafft A rbeit? Und inwieweit i st beides deckungsgleich? Es gilt somit in einem ersten Schritt theoretisch zu klären, wie Gerechtigkeits- und Sozialstaatskonzeptionen aussehen, in die sich eine Handlungsmaxime SIWAS integrieren lassen könnte. In einem zweiten Schritt ist daraufhin zu konkretisieren, worauf der Maßstab der sozialen Gerechtigkeit anzuwenden ist. Wege und Maßnahmen sind zu benennen, mit denen die begründete Hoffnung verbunden wird, dass sie zu mehr Beschäftigung führen. Diese Wege gilt es mit Hilfe der zuvor erarbeiteten Gerechtigkeitskriterien in einem dritten Schritt auf ihre soziale Wirkung hin zu überprüfen.

Da eine unmittelbare Überprüfung von SIWAS nicht möglich ist, muss also in Kapitel 2 zunächst die passende Ebene gefunden werden, auf der SIWAS Geltung haben kann. Nach Kersting sind innerhalb der gesellschaftlichen Gerechtigkeitsdiskurse drei Ebenen zu unterscheiden: Kleinformatige Gerechtigkeitsdiskurse innerhalb spezieller einzelner Verteilungsregionen bzw. Sicherungssysteme (Gerechtigkeit als Projekt), sozialpolitische Gerechtigkeitsvorstellungen, die auf der Grundlage politisch-kultureller Wertorientierungen sozialstaatspolitische Konzeptionen begründen (Gerechtigkeit als Programm) und schließlich gerechtigkeitstheoretische Entwürfe der Sozialstaatsphilosophie, die normative Grundregeln einer idealen Gemeinschaft entwickeln (Gerechtigkeit als Prinzip).[2]

Die Vorstellung der Gerechtigkeits- und Sozialstaatskonzeptionen bewegt sich auf den beiden letztgenannten Ebenen. Dabei wird zunächst eine Trennung in die beiden den derzeitigen politischen Diskurs bestimmenden Perspektiven, den Egalitarismus und den Liberalismus, vorgenommen. Es wird gezeigt, welche Gerechtigkeitskonzeptionen maßgeblich die jeweilige Perspektive beeinflussten, und welche policy-nahen Konzepte des Sozialstaates sich aus ihnen ableiten lassen. Das Augenmerk richtet sich besonders auf die Aspekte, die später Aussagen über arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ermöglichen. Dazu wird jeweils geprüft, welches zu verteilende Gut im Blickpunkt der jeweiligen Konzeption steht, welche Form von Gerechtigkeit angestrebt wird und inwiefern das Problem der Arbeitslosigkeit berücksichtigt wird.

Eine dritte, als monistisch[3] bezeichnete, Perspektive wird vorgestellt, die eine vermittelnde Position zwischen Egalitarismus und Liberalismus einnimmt. Denn eine dualistische Trennung in Liberalismus und Egalitarismus wird der Komplexität der normativen Spannungslinien, die auch quer und innerhalb der Großideologien verlaufen, nicht gerecht. Zudem überschätzt ein strikter Dualismus die Unvermittelbarkeit beider Seiten, sieht nicht die Verschlingungen der Wertideen und die daraus erwachsenden Koalitionschancen.[4] Doch auch eine strikte Dreiteilung der Ansätze ist nicht frei von Überschneidungen und einzelne Autoren sind nicht ohne Probleme in dieser Typisierung einzuordnen. Das methodische Vorgehen der klaren Trennung trägt aber dem Erkenntnisinteresse Rechnung, dass die Unterschiede der verschiedenen Ansätze möglichst deutlich gemacht werden müssen, um die Integrationspotentiale von SIWAS herausarbeiten zu können.

Kapitel 3 widmet sich der Frage, welche Probleme Arbeitslosigkeit verursacht, welche Ursachen die strukturelle Arbeitslosigkeit begründen und welche erwerbsarbeitszentrierten Wege aus Sicht der volkswirtschaftlichen Forschung zur Schaffung von mehr Beschäftigung geeignet sind. Neben den beschäftigungspolitischen Erfolgsaussichten werden auch die mit den Maßnamen verbundenen Kosten und Kostenträger klar zu benennen sein, um spätere gerechtigkeitstheoretische Aussagen zu ermöglichen. Mit erwerbsarbeitszentrierten Wegen sind Maßnahmen gemeint, die sich innerhalb einer marktwirtschaftlich organisierten Arbeitsgesellschaft bewegen. Ansätze zum Fundamentalumbau der Arbeitsgesellschaft werden nicht berücksichtigt. Zudem werden nur Maßnahmen berücksichtigt, die in langer Sicht positiv auf die gesamtwirtschaftliche Beschäftigungssituation wirken. Aktionistische Maßnahmen, die kurzfristig zur Schaffung bzw. Erhaltung einzelner Arbeitsplätze beitragen, werden hingegen nicht als arbeitsschaffende Maßnahmen angesehen, wenn langfristig zu befürchten ist, dass die negativen Folgen die positiven übersteigen.[5]

Zunächst wird versucht, die Diskussion möglichst allgemein auf die Situation von Industrieländern zu beziehen. Spätestens wenn konkrete praktische Maßnahmen und institutionelle Veränderungen zu benennen sind, wird sich die Analyse aber auf den deutschen Arbeitsmarkt und den deutschen Sozialstaat konzentrieren.

Im 4. Kapitel gilt es, die Gerechtigkeits- und Sozialstaatskonzeptionen mit den Erkenntnissen aus Kapitel 3 zu konfrontieren. Dabei gilt es zu klären, inwieweit das Ziel möglichst arbeitsschaffender Politik theoretisch und praktisch von den jeweiligen Perspektiven mitgetragen werden kann. Welche Aspekte sprechen gegen eine Integration von SIWAS? Und welche alternativen Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit werden gegebenenfalls den in Kapitel 3 aufgezeigten Maßnahmen vorgezogen? Den Sozialstaatskonzeptionen kommt dabei die Aufgabe zu, die Anwendung gerechtigkeitstheoretischer Überlegungen auf konkrete Reformvorschläge zu erleichtern. Dieses Vorgehen dient nun nicht nur als theoretischer Tauglichkeitstest von SIWAS, sondern prüft ebenso die traditionellen Gerechtigkeitskonzeptionen daraufhin, ob sie sich im Kontext von Globalisierung, Bevölkerungsalterung und Massenarbeitslosigkeit noch als zeitgemäß erweisen.

Kapitel 5 wird diese Arbeit mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse, einem Ausblick und einer Schlussbemerkung abschließen. Der Ausblick widmet sich insbesondere der Frage, wie die in dieser Arbeit dargelegten theoretischen Erkenntnisse durch empirische Untersuchungen ergänzt werden können. Denn genauso spannend, wie es ist das Verhältnis von SIWAS und Gerechtigkeitskonzeptionen zu untersuchen ist es zu analysieren, inwieweit sich SIWAS bereits in der Gesellschaft etabliert und in praktischer Politik umgesetzt hat. Der Staffelstab wird damit zur Übergabe an die empirische Forschung freigegeben.

Abbildung 1 zeigt nochmals auf graphische Weise, wie nachfolgend geprüft wird, ob nach der Abwägung der Erträge und der Kosten von „mehr Beschäftigung“ wirklich „sozial ist was Arbeit schafft?“.

Abb. 1: Fragestellung „Ist sozial was Arbeit schafft?“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung.

Literaturlage und Forschungsstand

Das für diese Arbeit gewählte Thema liegt am Schnittpunkt von politischer Philosophie und Volkswirtschaftslehre, genauer gesagt am Schnittpunkt von Gerechtigkeitstheorien und Arbeitsmarktökonomik. Zu beiden Teilbereichen existiert eine nahezu unüberschaubare Menge an Literatur. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass es sich bei der Frage, was eigentlich gerecht ist, um eine der fundamentalen Fragen der Menschheit handelt und daran, dass Arbeitslosigkeit das wirtschaftspolitische Problem überhaupt darstellt. Dabei verwundert nicht, dass angesichts der Breite der Zugänge und der unterschiedlichen Weltanschauungen, die in den Forschungsfeldern konkurrieren, vielseitige Schlussfolgerungen gezogen werden.

Was die Frage der sozialen Gerechtigkeit angeht, wird auf die philosophische Diskussion zurückgegriffen, da in der Soziologie genauso wenig wie in anderen sozialwissenschaftlichen Forschungsfeldern in den letzten Jahrzehnten ein präzises Verständnis von Gerechtigkeit entwickelte worden ist, während in der Philosophie seit den siebziger Jahren eine ausführliche Diskussion um die Gerechtigkeit im Gange ist.[6]

Bei der Vorstellung der Gerechtigkeitskonzeptionen wird neben den Originalquellen insbesondere die Sekundärliteratur von Timm (2003) und Kersting (2000a) genutzt. Kerstings „Theorien der sozialen Gerechtigkeit“ kommt hier eine Doppelrolle zu: Zum einen ist seine Vorarbeit eine Hilfe bei der Darstellung der wichtigsten Gerechtigkeitskonzeptionen, zum anderen ist sein „Liberalismus sans phrase“ selbst Untersuchungsgegenstand.

Die Auswahl innerhalb der beschäftigungspolitischen Literatur fällt angesichts der verschiedenen Standpunkte noch selektiver aus und konzentriert sich auf die aktuelle „Mehrheitsmeinung“ in der deutschen volkswirtschaftlichen Forschung. Bei den politischen Schlussfolgerungen orientiert sich diese Arbeit an den Ergebnissen des Sachverständigenrates zu Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SBGE). Dass mit dieser selektiven Auswahl die Beurteilung von SIWAS sowie der Gerechtigkeits- und Sozialstaatskonzeptionen vorentscheidend beeinflusst wird, gilt es zu beachten.

Um die beiden Teilbereiche zu verbinden, werden Sozialstaatskonzeptionen genutzt, die das Verhältnis von Sozialpolitik und Markt bestimmen. Auch die Vereinbarkeit von Sozialpolitik und marktwirtschaftlichem System ist Gegenstand vielfältiger Diskussionen, und nahezu jeder vorstellbare Aspekt über die Wechselbeziehungen zwischen sozialpolitischen und marktwirtschaftlichen Zielen und Maßnahmen ist vielfach geäußert und diskutiert worden.

Doch gibt es nur relativ wenige Forschungsarbeiten, die Sozialstaatskonzeptionen nutzen, um Gerechtigkeitskonzeptionen auf aktuelle Reformvorschläge am Arbeitsmarkt anzuwenden.[7] Diese Arbeit sieht sich als kleinen Beitrag dazu, diese Lücke zu schließen, um so den praktischen Nutzen der politischen Philosophie erhöhen zu können.

2 Gerechtigkeits- und Sozialstaatskonzeptionen

Dieses Kapitel widmet sich dem „sozial“ in SIWAS. Dabei wird sozial ähnlich wie in den aktuellen sozialpolitischen Diskussionen weitgehend als Synonym für „sozial gerecht“ verwendet.[8] Soziale Gerechtigkeit ist wiederum ein begrifflich schwer zu fassendes theoretisches Konstrukt, ein heterogenes Ensemble einzelner Werte, die trotz ihrer teilweisen Widersprüchlichkeit in sozialstaatlichen Institutionen und Diskursen koexistieren.[9] Ungeachtet der Spannungen wird soziale Gerechtigkeit oft als Leitwert beschworen und bezeichnet eine der Demokratie eigentümliche Richtschnur politischen Handelns.[10] Höffe zufolge spricht man in zwei Bedeutungen von sozialer Gerechtigkeit: unspezifisch besagt das Beiwort „sozial“ lediglich, dass es um etwas Gesellschaftliches geht, also die Gerechtigkeit in der Gesellschaft angesprochen ist. Im spezifischen Sinn befasst sich die soziale Gerechtigkeit mit Schwierigkeiten von Arbeitslosigkeit oder Krankheit, die unter dem Stichwort der sozialen Frage zusammengefasst werden können.[11] Dabei impliziert der Begriff „soziale Gerechtigkeit“, es könne Gerechtigkeit auch in einem nicht-gesellschaftlichen Kontext geben. Dies ist allerdings ein Trugschluss. Man kann Gerechtigkeit zwar in Regel- und Ergebnisgerechtigkeit unterscheiden, je nachdem ob nur die Regeln oder die Handlungsergebnisse einem Gerechtigkeitskriterium unterworfen werden,[12] immer geht aber um die Interaktion zwischen mindestens zwei Personen. Werden diese Personen als Gleiche angesehen, so wird von kommuntativer Gerechtigkeit gesprochen, handelt es sich bei den Personen um Herrscher und Beherrschte bzw. um Staat und Bürger, so ist von distributiver Gerechtigkeit die Rede.[13] Soziale Gerechtigkeit wird nachfolgend im Sinne der zweiten Kategorie, der Verteilungsgerechtigkeit, verstanden.

Der Ruf nach Verteilungsgerechtigkeit kommt auf, da wir in einer Welt der Knappheit leben, in der in Zusammenarbeit auf dem Markt erwirtschaftete Güter verteilt werden müssen. Da jeder lieber mehr als weniger haben möchte, entstehen Konflikte, die nach einer allseits anerkannten Verteilungsregel verlangen.

Gebräuchliche Verteilungsregeln stellen die Bedarfs- und die Leistungsgerechtigkeit dar. Die Bedarfsgerechtigkeit besagt, dass Ansprüche auf Ressourcen nach (staatlich) festgelegten Bedürfnissen bemessen werden. Die Leistungsgerechtigkeit verfährt nach dem Grundsatz, „wer mehr leistet, soll auch mehr erhalten“. Beide Formen der Gerechtigkeit gelten als historische Wurzeln staatlich organisierter sozialer Sicherungssysteme.[14]

Im Gegensatz zur Leistungs- und Bedarfsgerechtigkeit, die beides Formen einer einen vorhandenen Kuchen verteilenden distributiven Gerechtigkeit darstellen, gibt es zudem die Vorstellung einer produktivistischen Tauschgerechtigkeit, die auf die Erhöhung des Verteilungsvolumens bzw. auf eine Vergrößerung des Kuchens im Zeitablauf abhebt.[15] Verteilungsungleichheit am Markt wird dabei in Kauf genommen, um ein insgesamt als vorteilhaft betrachtetes Tauschergebnis erzielen zu können.

Tausch-, Leistungs- und Bedarfsgerechtigkeit haben trotz ihres Spannungsverhältnisses eines gemeinsam: Sie beziehen sich auf Fragen ökonomischer, aus dem Erwerbsleben erwachsender, Ungleichheit. Ergänzend dazu ist seit den 1980er Jahren im sozialpolitischen Diskurs vermehrt von einer Teilhabegerechtigkeit die Rede, die neben ökonomischen Ungleichheiten auch sozialstrukturelle Unterscheidungsmerkmale wie Alter, Geschlecht oder Ethnizität berücksichtigt.[16]

Die Auswahl der Gerechtigkeitskonzeptionen, in denen sich die eben genannten Verteilungsregeln im unterschiedlichen Maße widerspiegeln, orientiert sich maßgeblich an ihrer Bedeutung im gerechtigkeitstheoretischen Diskurs. Die Konzeptionen sind jeweils Bestandteil einer umfassenderen Gerechtigkeitstheorie, die nicht in ihrer Breite vorgestellt werden können. Es wird lediglich gezeigt, welches Verständnis von sozialer Gerechtigkeit vertreten wird, und welche Sozialstaatskonzeptionen sich aus den Theorien ableiten lassen. Ebenso wenig wie die einzelnen Theorien umfassend vorgestellt werden können, kann keine umfassende Kritik der einzelnen Theorien angestellt werden. Die Kritik der übergeordneten Perspektiven ist vielmehr allgemein gehalten. Einzelheiten der jeweiligen Theorien werden somit von der Kritik verschont, während einige der allgemeinen Kritikpunkte nicht auf alle Theorien gleichermaßen zutreffen.

Sozialstaatskonzeptionen im hier verstandenen Sinne treffen Aussagen über den eigentlichen Wortlaut hinaus auch für Bereiche, die nicht den Sozialstaat und die Sozialversicherungssysteme im engeren Sinne betreffen. Sämtliche gerechtigkeitsrelevanten Bereiche, auf die öffentliche Politik Einfluss hat, sind Gegenstand von Sozialstaatskonzeptionen. Diese weite Fassung ist nötig, da zwar der Sozialstaat als offensichtliches Mittel zur Gerechtigkeitsherstellung angesehen wird, doch auch Abseits des eigentlichen Sozialstaates gerechtigkeits- und beschäftigungsrelevante Entscheidungen getroffen werden.

Bei der Strukturierung der Sozialstaatskonzeptionen wird dem Vorgehen Homanns (2003) gefolgt, der anschaulich darlegt, welche Rolle der Sozialpolitik in verschiedenen Konzeptionen im Verhältnis zum Markt zugedacht wird. Neben den Sozialstaatskonzeptionen einer egalitären und liberalen Perspektive werden als monistisch bezeichnete Konzeptionen vorgestellt, die versuchen, ideologische Grabenkämpfe und einen strikten Wertedualismus zu überwinden, um so die Konzentration auf die Klugheitsfragen[17] im kleinformatigen Gerechtigkeitsdiskurs richten zu können. Dabei wie Giddens von einem gänzlich neuen, dritten Weg zu sprechen, wäre allerdings zu weit gegriffen. Vielmehr ist ein Großteil der Überlegungen auf der liberalen Perspektive aufbauend. Insbesondere die Konzeptionen von Buchanan und Hayek werden so reinterpretiert und erweitert, dass die Potentiale zur Versöhnung mit dem Egalitarismus berücksichtigt und die Kritikpunkte am Liberalismus ernst genommen werden.

2.1 Egalitäre Perspektive

Aus egalitärer Perspektive wird Gleichheit als ein zentrales und unabgeleitetes Ziel von Gerechtigkeit angesehen, als moralischer Selbstzweck und Eigenwert. Das einem gerechtermaßen Zustehende wird aus egalitärer Perspektive relational, mit Blick auf andere, und nicht absolut, unabhängig von anderen, bestimmt.[18]

Egalisiert werden soll grundsätzlich jegliche unverdiente Einschränkung der Lebensaussichten,[19] und zwar auf Kosten derer, denen Gaben der Natur, Erbschaften oder Geschenke unverdient zufallen. Weder dem Diktat der Natur noch dem des Marktes darf sich unterworfen werden, wenn verhindert werden soll, dass sich unverdiente Benachteiligungen und Bevorzugungen weiter verstärken.[20] Ein genetischer und sozialer windfall profit [21] wird aus egalitärer Perspektive nicht geduldet und erfordert eine gerechtigkeitsethische Korrektur.

Die geforderte Gleichheit im Egalitarismus[22] geht damit über eine reine Rechts- und Chancengleichheit hinaus und zielt auch auf eine weitestgehende materielle Gleichheit ab. Die gesellschaftliche Bedingtheit des menschlichen Lebens wird dabei sehr ernst genommen. Handlungsleitend ist die Einsicht, dass der Verlauf der individuellen Lebenskarrieren von den gesellschaftlichen Gegebenheiten tief greifend und von Anfang an beeinflusst wird.[23] Moderne Gesellschaften sind für Egalitaristen komplizierte Verteilungsapparate, die menschlichen Ursprungs und damit im Gegensatz zur Natur rechenschaftspflichtig bzw. begründungsbedürftig sind. Auch der Markt macht da keine Ausnahme und ist wie jede andere gesellschaftliche Distributionszone nach der Gerechtigkeitsqualität seiner Verteilungsleistung zu befragen. Der Sozialstaat, so wird zu zeigen sein, ist aus egalitärer Perspektive das wichtigste Egalisierungsinstrument, das durch geeignete Umverteilungen „die ungleichen natürlichen und sozialen Startbedingungen der individuellen Lebenskarrieren unermüdlich ausgleicht.“[24]

Gleichheit muss aber nicht der einzige Eigenwert sein, der aus egalitärer Perspektive verfolgt wird. Krebs bezeichnet es als egalitaristisches Grundmuster, dass ein Gleichheitsprinzip bezüglich unverdienter Lebensaussichten mit einem Wohlfahrtsprinzip kombiniert wird, und dass moderaterweise im Konfliktfall „Gleichheit vs. Wohlfahrt“ gewisse Abstriche an Gleichheit um einer größeren Wohlfahrt willen hingenommen werden.[25]

Die Prinzipien, die die Verteilungsergebnisse des Tauschsystems kontrollieren und Verteilungsgerechtigkeit herstellen sollen, werden autonom in Theorien und Konzeptionen der Gerechtigkeit entwickelt. Zunächst werden zwei der bedeutendsten Konzeptionen vorgestellt. Welche Sozialstaatskonzeption bzw. Sozialstaatspolitik sich daraus ableiten lässt wird sodann analysiert, bevor die egalitäre Sichtweise einer Kritik unterzogen wird.

2.1.1 Egalitäre Konzeptionen der Gerechtigkeit

Eben wurde dargelegt, dass aus egalitärer Perspektive Gerechtigkeit in der Schaffung möglichst gleicher Lebensaussichten aller Menschen besteht. Fragt man nun aber genau weiter, woran den diese Gleichheit der Lebenschancen festzumachen ist, so zeigt sich, dass verschiedene Konzeptionen der Gerechtigkeit verschiedene Vorstellungen von der Gleichheit der Lebensaussichten haben.

Die sogenannte Equality-of-What ? Debatte lässt sich am besten strukturieren, trennt man die Einflussfaktoren des individuellen Verteilungsergebnisses in externe Ressourcen, individuelle Talente und den eigenen Willen. Während die externen Ressourcen direkt von sozialen Institutionen und staatlichen Eingriffen kontrolliert werden können, liegen individuelle Talente sowohl außerhalb des Einflussbereiches staatlicher Institutionen als auch außerhalb des individuellen Verantwortungsbereiches. Unter den eigenen Willen ist alles zusammenzufassen, was in der eigenen Verantwortung liegt und auf freie Entscheidungen zurückzuführen ist.[26] Gemeinsames Anliegen der Egalitaristen ist es, ungleiche Verteilung der Talente durch eine Umverteilung der Ressourcen auszugleichen, ohne dabei die im eigenen Verantwortungsbereich liegenden Entscheidungen zu beeinflussen. Was jedoch zum freien Willen gehört und damit im eigenen Verantwortungsbereich liegt, und wo die Trennlinie zu den Talenten zu ziehen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Während Rawls und Dworkin die persönlichen Ziele der Individuen zum freien Willen zählen und all die Ressourcen und Umstände zu den Talenten zählen, die dabei helfen bzw. dabei hinderlich sind, diese Ziele zu erreichen,[27] zählen Sen, Cohen und andere zu den Talenten alle Faktoren, für die die Individuen moralisch nicht verantwortlich gemacht werden können, zum freien Willen hingegen all das, für das die Individuen verantwortlich gemacht werden können.[28]

Es ergibt sich in eine grobe Zweiteilung der egalitären Perspektive. Eine Seite will die Gleichheit der Lebensaussichten festmachen an der Verfügung über gleich viele Ressourcen (Dworkin 1981) bzw. Grundgüter (Rawls 1971) und wird von Fleurbaey als equal-resources-school bezeichnet.

Eine zweite Seite interpretiert das Gleichheitsideal als Gleichheit der Funktionsfähigkeit (Sen 1992) oder als Gleichheit der Gelegenheit zur Erlangung von Wohlergehen (Arneson 1989; Cohen 1989; Roemer 1993) und wird als equal-opportunity-school bezeichnet. So sind nach Sen unterschiedliche Fähigkeiten zu berücksichtigen, wenn z.B. Gehbehinderte größere Ressourcen für die Fortbewegung bräuchten.[29] Es sei weniger entscheidend, was mit einer bestimmten Gütermenge erreicht werden kann, als was das Erreichte für das einzelne Individuum bedeutet. Teilhabegerechtigkeit wird dabei zur entscheidenden Verteilungsregel. Für diese Arbeit von Bedeutung ist die Erkenntnis der equal-opportunity-school, dass es nicht nur eine einheitliche Größe geben kann, die wir als Wert betrachten.[30] Nutzen oder Einkommen als einheitliches Etwas einzustufen, nachdem gerechte Verteilungen beurteilt werden, vernachlässigt beispielsweise die Rolle von Freiheit, Rechten, Kreativität oder realen Lebensbedingungen.

Die equal-resources-school ist innerhalb des gerechtigkeitstheoretischen Diskurses nicht nur bekannter, ihre Analyse erweist sich für diese Arbeit aufgrund ihrer besseren Abgrenzbarkeit auch als gewinnbringender als die equal-opportunity-school. Demnach wird dieses Kapitel nur die Gerechtigkeitskonzeptionen von Rawls und Dworkin vorstellen und auf eine detaillierte Vorstellung der equal-opportunity-school verzichten.[31]

Die Rawlssche Gerechtigkeitskonzeption

Mit seinem Hauptwerk A Theory of Justice hat Rawls (1971) nicht nur der Politischen Philosophie und insbesondere der Vertragstheorie zu einer gewaltigen Renaissance verholfen, auch haben sich aus Diskussionen um sein Werk unter anderem kommunitaristische Ansätze und die „doppelte Egalitarismusdebatte“ entwickelt.[32] Die Rawlssche Sozialstaatstheorie kann somit als Grundstein der egalitaristischen Sozialstaatstheorie angesehen werden.[33]

Im Kern geht es Rawls darum zu zeigen, für welche Regelordnung sich rationale, freie und gleiche Bürger entscheiden würden, wenn sie ihre Regelwahl unter Ausschluss von Verhandlungsvorteilen und ohne Wissen über die konkreten Lebensumstände treffen müssten. Er verlegt die Diskussion der Regelsetzung weg vom Naturzustand der klassischen Vertragstheorie in die so genannte original position. In diesem Urzustand befinden sich die Individuen hinter einem Schleier der Unwissenheit, der einen vergessen lässt, welche soziale Stellung man einnimmt, und der sich von den Umständen des allumfassenden Handlungsrahmens loslöst und somit nicht durch sie verzerrt ist.[34] Von diesem Standpunkt aus ist es möglich, eine faire Übereinkunft zu erreichen, die angemessenen Beschränkungen im Bezug auf all das unterliegt, was als guter Grund gelten soll.[35]

Rawls erhebt selbst den Anspruch, auf Basis dieses Urzustandes eine öffentlich anerkannte Gerechtigkeitskonzeption für moderne demokratische Staaten entwickelt zu haben, die vielfältigen Weltanschauungen und konkurrierenden Konzeptionen des Guten gerecht wird.[36] Zwar könne nicht auf alle Fragen eine Lösung bzw. ein Konsens gefunden werden. Doch sei es möglich, auf die in den politischen Institutionen und öffentlichen Traditionen verankerten grundlegenden Gedanken zurückgreifend, eine Basis zu finden, um über eine geeignete institutionelle Ordnung für Freiheit und Gleichheit zu entscheiden.

Zwei Gerechtigkeitsgrundsätze sollen als Richtlinien für die institutionelle Verwirklichung der Werte Freiheit und Gleichheit dienen:

1.) Jede Person hat ein gleiches Recht auf ein System gleicher Grundrechte und Grundfreiheiten.
2.) Soziale und Ökonomische Ungleichheiten müssen sich aus Ämtern oder Positionen begründen, die allen offen stehen und sie müssen zum Vorteil der am wenigsten begünstigten Mitglieder der Gesellschaft sein.[37]

Unter Grundrechten und Grundfreiheiten versteht Rawls politische Wahl- und Partizipationsrechte, Rede- und Versammlungsfreiheit, fundamentale Menschenrechte wie das Recht auf persönliches Eigentum oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit und schließlich persönliche Grundfreiheiten wie die Gewissens-, Gedanken- und Religionsfreiheit.[38] Generell baut die Rawlssche Gerechtigkeitstheorie wesentlich auf dem Konzept der Grundgüter auf, „Dinge, von denen man annimmt, daß sie ein vernünftiger Mensch haben will.“[39]

Ob bzw. in welcher Form Arbeitsplätze zu den Grundgütern zählen, ist nicht unmittelbar ersichtlich. Aus den Ausführungen geht hervor, dass das System gleicher Grundrechte so zu gestalten ist, dass eine maximale individuelle Freiheit ermöglicht wird. Zudem werden neben den angesprochenen Rechten, Freiheiten und Chancen auch Einkommen und Vermögen sowie die sozialen Grundlagen der Selbstachtung zu den Grundgütern gezählt. Selbstachtung ist für Rawls zentral, da ohne sie nichts der Mühe wert zu sein scheint und die Anstrengungen gelähmt sind.[40] Wird ein Arbeitsplatz als eine Vorraussetzung für individuelle Freiheit und als Teil der sozialen Grundlagen der Selbstachtung betrachtet, so ist Arbeit durchaus als Teil der Grundgüter zu betrachten.

Das zweite Gerechtigkeitsprinzip unterwirft jegliche sozioökonomische Ungleichheiten bestimmten Legitimationsbedingungen. Zunächst hat der Staat Sorge zu tragen, dass die „Anteile der Menschen an den Früchten und Lasten der gesellschaftlichen Zusammenarbeit nicht durch gesellschaftliche oder natürliche Zufälligkeiten“ bestimmt werden.[41] Legitimiert ist Ungleichheit nur, wenn sie ökonomisch notwendig und für alle Wirtschaftssubjekte von Vorteil ist. Es ist demnach immer zu fragen, ob der vorhandene Gleichheitsabweichungsgrad der vorhandenen Verteilung notwendig ist, um die Aussichten der Minderbegünstigten auf lange Sicht zu verbessern, und ob er dem Grundsatz „so gleich wie möglich, so ungleich wie nötig“[42], entspricht. Das Prinzip, eine Verteilungssituation nach dem Wohlergehen des Minderbegünstigten bzw. des am schlechtesten Gestellten zu beurteilen, ist unter den Namen Maximin– bzw. Differenzprinzip zu Berühmtheit gelangt.

Um die für das Differenzprinzip entscheidende Gruppe der least advantaged identifizieren zu können, wird ein allgemeines Verteilungskriterium benötigt, mit dem sich jegliche Art von Vor- und Nachteilen quantifizieren lässt. Rawls sieht diese Identifizierung selbst als problematisch an: „The serious problem is how to define the least fortunate group.“[43] Rawls schlägt vor, die Gruppe der ungelernten Arbeiter als die am schlechtesten Gestellten zu betrachten,[44] eine Annahme, die in Kapitel 4 vor dem Hintergrund der Massenarbeitslosigkeit zu diskutieren sein wird.

Dworkins Prinzip der Ressourcengleichheit

Im zweiten Teil von What is Equality ? entwickelt Dworkin (1981) sein egalitäres Konzept der Verteilungsgerechtigkeit. In Abgrenzung zu der Konzeptklasse Equality of Welfare legt er dem Leser sein Gleichheitsideal der Equality of Resources dar. Dazu konstruiert Dworkin die Geschichte einer Gruppe von Schiffsbrüchigen, die auf einer unbewohnten Insel mit ausreichenden, aber begrenzten Ressourcen stranden. Wie diese Ressourcen nun zunächst gerecht verteilt werden können, und wie eine gerechte Gesellschaft auf dieser Insel aussehen könnte, wird von Dworkin dargelegt.

Dabei zieht er eine klare Trennlinie zwischen verdienten und unverdienten Ungleichheiten. Erstere sind leistungsbegründet und kompensationsunbedürftig, letztere begabungsverursacht und kompensationspflichtig.[45] Eine Gesellschaft ist dann als gerecht zu bezeichnen, wenn sie alle begabungsbegründete Ungleichheit korrigiert und jedermann mit einem gleich wertvollen Ressourcenbündel ausstattet. „Der Gerechtigkeitspolitiker übernimmt die Rolle eines Handicappers, der den leichteren Jockeys Bleigewichte in die Taschen schiebt.“[46] Für eine zeitgleiche Zielankunft zu sorgen, gehört allerdings nicht zum Aufgabenbereich eines Gerechtigkeitspolitikers im Dworkinschen Sinne. Das Verteilungssystem soll vielmehr ambition-sensitive und endowment-insensitve [47] sein, um keine Fehlanreize zu produzieren.

Dworkin sieht die Möglichkeit, einen reinen Anstrengungs- und Leistungskern als Quell legitimen Verdienstes freilegen zu können.[48] Spätere Ungleichverteilungen können sich nur durch individuelle Entscheidungen bezüglich des Lebensstils ergeben. Begabungen, Talente und Fähigkeiten sind somit keine Grundlage für den Erwerb legitimer Verdienstansprüche, eigenverantwortliches Verhalten hingegen schon.

Der Markt wird als zentrales Werkzeug zur Erreichung des Konzepts der Ressourcengleichheit angesehen, mit dessen Hilfe die Kosten, die der Lebensstil eines Einzelnen für die Gesellschaft mit sich bringt, transparent gemacht werden kann.

Dass Dworkin die Bedeutung des Marktes und der Demokratie betont, wird von Kersting als weitreichendes Versöhnungsangebot an die politische Moderne interpretiert, die notorischen Spannungen zwischen Marktfreiheit und Sozialstaatsprinzip verschwinden zu lassen. Freiheit wird nicht als ein mit der Gleichheit kollidierendes Ideal angesehen, vielmehr bedingen sich nach Dworkin beide Ideale wechselseitig in ihrer Realisierung.[49] Marktverteilung und Wohlfahrtsrechte kooperieren in einem komplexen institutionellen Gefüge, um der moralischen Gleichheit des Menschen weitreichenden und bestmöglichen gesellschaftlichen Ausdruck zu geben.[50] Dabei betont Dworkin, dass diese Mixtur keine Abschwächung der Forderungen des Egalitarismus bedeute und nicht als „kompromißlerische Versöhnung konfligierender Wertperspektiven“[51] missverstanden werden dürfe. Gleichheit der Ressourcen ist das vorderste Ziel, der Markt lediglich ein Instrument zur Erreichung dieses Zieles.

2.1.2 Egalitäre Konzeptionen des Sozialstaates

Verteilungsgerechtigkeit in Form von Bedarfsgerechtigkeit ist die maßgebende Verteilungsregel einer egalitären Konzeption des Sozialstaates. Staatliche Transferleistungen dienen der Gerechtigkeitsherstellung und sind auf die Herbeiführung einer egalitären Versorgungsstruktur gerichtet.[52] Ein solcher gerechtigkeitsethischer Sozialstaat gibt jedem, was die Allgemeinheit ihm schuldig ist; er ist Ausdruck des versorgenden Staates. Umverteilung wird in der Argumentation einer egalitären Sozialstaatskonzeption ausdrücklich normativ gefordert, da sie aus übergeordneten ethischen Gründen für ein für alle menschenwürdiges Leben notwendig ist. Der Sozialpolitik wird damit eine selbstständige Rolle zugedacht, das Verhältnis der Sozialpolitik zum Markt wird allerdings nicht von allen Vertretern der egalitären Perspektive gleich beurteilt.

Sozialpolitik gegen den Markt

Radikale egalitäre Sozialstaatskonzeptionen bekennen sich deutlich zu einem Schema im Sinne von Sozialpolitik gegen den Markt, dass in einem Trade-off Denken verhaftet ist. Sozialpolitik und Markt werden dabei als zwei Pole betrachtet, wobei der Markt auf der einen Seite als Quelle der Umverteilungsmasse und der Sozialstaat auf der anderen Seite als Garant für soziale Gerechtigkeit steht.[53] Der Pol Sozialstaat hat nach diesem Denken dafür Sorge zu tragen, dass den Bedürfnissen der Benachteiligten Rechnung getragen wird und eine möglichst gleiche Verteilung erreicht wird. Da eine möglichst gleiche und damit sozial gerechte Verteilung vom Markt nicht gewährleistet werden könne, haben ökonomische Wirkungsanalysen hinter moralischen Forderungen zurückzustehen. Betont wird die Bedeutung von Solidarität im menschlichen Zusammenleben, die es gegen den Markt und die dort herrschende Konkurrenz durchzusetzen gilt.

Sozialpolitik oder Markt

Von der radikalen (klassischen) egalitären Sozialstaatskonzeption zu unterscheiden ist eine aus der Rawlsschen Theorie abzuleitende Sozialstaatskonzeption. Rawls gesteht ein, dass bis zu einem gewissen Maße durch Marktprozesse hervorgerufene Ungleichheiten auch für die am schlechtesten Gestellten von Vorteil sein können. Er erkennt damit die Bedeutung einer produktivistischen Tauschgerechtigkeit neben der Bedarfsgerechtigkeit an, und sieht vor, marktwirtschaftliche oder sozialpolitische Instrumente in dem Maße zu verwenden, in dem sie den Bedürftigsten zu Gute kommen. Diese Abwägung zwischen Sozialpolitik und Markt ist nicht zu verwechseln mit einer Abwägung zwischen Effizienz und Gerechtigkeit, da Rawls grundsätzlich von der Priorität der Gerechtigkeitserwägungen ausgeht. Rawls scheint dabei zu hoffen, dass im Sinne des Differenzprinzips die Wahl der gerechten Grundstrukturen immer aus der Menge der effizienten Grundstrukturen vorgenommen wird.[54]

Sozialpolitik über dem Markt

Die aus Dworkins Konzeption abzuleitende Sozialstaatskonzeption lässt sich am besten mit Sozialpolitik über dem Markt beschreiben, wenn mit Sozialpolitik solche Maßnahmen gemeint sind, die helfen eine weitestgehende Ressourcengleichheit herzustellen. Denn die Gleichheit der Ressourcenausstattung ist oberstes Ziel und damit dem Markt übergeordnet, der eine rein dienende Funktion bei der Zielerreichung besitzt. Das Denken der Leistungsgerechtigkeit ist dieser Konzeption aber nicht fremd, sondern wird als notwendig anerkannt, um die Anreizwirkung des Marktes nicht zu beeinträchtigen.

2.1.3 Kritik am Egalitarismus

Die Kritik, Gleichheit tauge nicht als Grundlage von Gerechtigkeit, wird aus verschiedenen Lagern immer deutlicher vernehmbar. Dass es sich dabei nicht nur um einzelne Vorstöße handelt, zeigt die Tatsache, dass bereits von einer Why-Equality? Debatte gesprochen wird, die in mehreren Sammelbänden verfolgt werden kann.[55] Dabei ist zu beachten, dass die einzelnen Kritikpunkte nicht gleichermaßen auf die oben vorstellten Gerechtigkeitskonzeptionen zutreffen.

Krebs unterscheidet vier Typen von Egalitarismuskritik:[56] Einer Form der Kritik zufolge dürfe Gleichheit nicht Ziel von Gerechtigkeit sein, sondern müsse als Nebenprodukt von Gerechtigkeit betrachtet werden. Der Egalitarismus verwechselt diesem Einwand folgend Gleichheit mit Allgemeinheit. Zwar sei einer Allgemeinheit ein elementarer Standard der Gerechtigkeit zu garantierten, was auch eine nicht-relationale Gleichheit mit sich führt, diese Gleichheit dürfe allerdings nicht als Zielvorgabe das Vorgehen bestimmen.

Ein zweiter Typus von Egalitarismuskritik behauptet, dass lediglich durch die Angleichung der Möglichkeiten (wie von der equal-opportunity-school gefordert) nicht gesichert sei, dass die Bedingungen eines menschenwürdigen Lebens für alle gesichert werden. Menschen, die an ihrem Elend selbst schuld sind, in ihrem Elend allein zu lassen, erscheint in den Augen vieler als inhuman.

Eine dritte Form der Kritik wirft dem Egalitarismus die Unterschätzung der Komplexität unserer Gerechtigkeitskultur vor. Neben Gleichheitsprinzipien seien Ungleichheitsprinzipien, wie das Verdienstprinzip oder Tauschprinzip, zu beachten.

Schließlich werden ganz pragmatische Bedenken geäußert, dass Gleichheit ohnehin nicht herstellbar ist, sei es auf Grund des schieren Ausmaßes an Kontingenz im menschlichen Leben oder auf Grund der Schwierigkeit, Kontingenz von Eigenverantwortung trennen zu können.

Dem Einwand der Nichtrealisierbarkeit folgend wird dem aus der egalitären Perspektive ableitbaren Sozialstaat abgesprochen, sich auf eine zufrieden stellende Rechtfertigungsgrundlage stützen zu können. Tatsächlich kann die Forderung nach strikter Gleichheit, wenn auch nur bei der Verteilung von Ressourcen, auf der Ebene der praktischen Soziapolitik groteske Programme und politische Absurditäten bescheren. Konsequenterweise müsste eine auf die Egalisierung unverdienter Startvorteile abzielende Politik eine Schönheitssteuer einführen oder Kosmetik und Hanteltraining für alle einschlägig Bedürftigen erstatten. Denn Schönheit ist in einer äußerlichkeitskultischen Gesellschaft wie der unsrigen zweifellos mit sozialer Macht verbunden, beruht aber nahezu ausschließlich auf der zufälligen Ästhetiklotterie der Natur.[57]

2.2 Liberale Perspektive

Die normative Ausgangsfrage des Liberalismus[58] lautet: „Wozu dürfen wir einander legitimerweise zwingen?“[59] Bei der Beantwortung lässt sich der Liberalismus von der Überzeugung leiten, dass der für die soziale Gerechtigkeit und den politischen Zwang zuständige Staat im Wesentlichen nur zu sekundären und subsidiären Leistungen fähig ist.[60] Ob er mittels Gesetzen und Vorschriften Rechtsgüter schützt und das Marktgeschehen ordnet, ob er Bedürftigen Transferleistungen zukommen lässt oder mittels Subventionen allein nicht lebensfähige Wirtschaftszweige unterstützt, immer muss die Leistung der Bürger vorausgesetzt werden. Die Binsenwahrheit, dass die zu verteilenden Mittel erst erarbeitet und in einer arbeitsteiligen Wirtschaftsordnung wechselseitig getauscht werden müssen,[61] erklärt die übergeordnete Rolle der Wechselseitigkeit und des Tauschens im Liberalismus vor der (Um-)Verteilung, die entweder ganz abgelehnt wird oder nur nachgeordnet Berechtigung findet.

Folglich ist soziale Gerechtigkeit, insofern sie als Leitwert überhaupt anerkannt wird, innerhalb der liberalen Perspektive nur in einer subsidiaritätsbasierten Marktwirtschaft zur Gestaltung von Freiheitsräumen denkbar.[62] Eine interventionistische Wirtschafts- und Sozialpolitik zur Erreichung von sozialer Gerechtigkeit wird hingegen strikt abgelehnt.

In einer liberalen Ordnung wird die natürliche Beschaffenheit und die Gefühls- und Gedankenwelt weder durch rechtlichen Zwang noch durch politische Macht angetastet.[63] Diese Unverfügbarkeit des Inneren wird aus Sicht des Liberalismus von einer egalitären Politik der materiellen Gleichheit auf ungerechtfertigte Weise missachtet.[64] Im Liberalismus hat jeder Mensch das Recht , „über seine Kräfte und Fähigkeiten selbstbestimmt verfügen zu können, ein Leben nach seinen Vorstellungen führen zu können und von der Gesellschaft und seinen Mitmenschen als selbstverantwortliches Wesen, als Zweck an sich selbst respektiert zu werden.“[65]

2.2.1 Liberale Konzeptionen der Gerechtigkeit

Nachfolgend werden prominente liberale Vordenker vorgestellt, die jeweils unterschiedliche Argumente gegen die egalitäre Sichtweise vorbringen. Gemeinsam widersprechen sie der Ansicht, der Markt sei ungerecht und die Ungerechtigkeiten seien nur durch geeignete Transferleistungen zu kompensieren. Alle drei distanzieren sich von einer Interpretation der Gerechtigkeit, die auf bestimmte Verteilungsergebnisse zielt, sondern sehen eine mögliche Anwendung des Begriffes Gerechtigkeit nur auf den Prozess in Form der Tauschgerechtigkeit für möglich. Für ein gerechtes Tauschergebnis ist zudem die Leistungsgerechtigkeit insofern zu berücksichtigen, da Güter wie Einkommen aber auch Chancen nach dem Leistungsprinzip verteilt werden sollten. Der Sozialpolitik wird hingegen keine die gesellschaftliche Ungleichheit ausgleichende Funktion zugeschrieben.[66]

Doch sowohl in ihrer Radikalität, mit der sie ihre ablehnende Haltung gegenüber einem umverteilenden Sozialstaat begründen, als auch in ihren sozialpolitischen Konsequenzen unterscheiden sich die Vertreter der liberalen Perspektive.

Nozicks Theorie des Minimalstaates, mit der die Vorstellung liberaler Gerechtigkeitskonzeptionen beginnt, wurde Gegenstand von zahlreichen Kontroversen. Während für die einen Anarchy, State, and Utopia die „phantasievollste und argumentativ raffinierteste Zurückweisung des Sozialstaates bietet“[67], stellt dieses Werk für andere eine sozialstaatspolemische und besonders radikale Darstellung ultraliberaler Überzeugungen dar.[68]

Mit Nozick gilt auch der österreichische Wirtschaftswissenschaftler von Hayek als Wegbereiter einer später als Thatcherism und Reaganomics bezeichneten Wende in der Wirtschaftspolitik und als Feindbild der „Linken“.[69] Für unsere Zwecke ist aus seinen Schriften die semantische Kritik an der Verteilungsgerechtigkeit, die zu dem Schluss führt, die Suche nach sozialer Gerechtigkeit sei generell unsinnig, von besonderem Interesse.

Der amerikanische Ökonom Buchanan hat mit seinem Forschungsprogramm entscheidend die Entwicklung der Konstitutionenökonomik beeinflusst. Er geht in seinem streng individualistischen Ansatz vor allem der Frage nach, wie rationale Menschen allein auf Basis ökonomischer Annahmen ein Regelsystem konstruieren würden.

Nozicks Theorie individueller Rechte

Nozicks Konzeption, die er in Anarchy, State, and Utopia 1974 entwickelt, stützt sich auf das Prinzip des absoluten Eigentums und auf strikte individuelle Rechte. Menschen besitzen demnach einen Bereich persönlicher Integrität, der durch Rechte geschützt werden muss: „No one has a right to something whose realization requires certain uses of things and activities that other people have rights and entitlements over.“[70]

Nozick entwickelt seine Theorie, indem er zunächst zeigt, wie sich ein Staat durch einen von unsichtbarer Hand geleiteten Marktprozess gründen kann. In einem anarchistischen Chaos formieren die Menschen Schutzgemeinschaften, um die hohen Kosten der Verteidigung zu teilen. Nach einem Konzentrationsprozess bildet sich ein Monopol, dass in einem letzten Schritt die bislang keiner Schutzgemeinschaft beigetretenen Individuen zur Teilnahme an der Schutzgemeinschaft mittels Steuern zwingen kann und damit das Machtmonopol über ein bestimmtes Territorium übernimmt.[71] Damit hat sich ein Minimalstaat gebildet, dessen einzige Aufgabe ist, die natürlichen Rechte zu schützen und durchzusetzen. Zu diesen Rechten, die nicht veräußerlich sind, gehört für jeden Menschen das Recht auf seinen Körper und auf die Produkte seiner Arbeit. Menschen dürfen nicht an Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum beschädigt werden.[72] Neben diesen absoluten, natürlichen Rechten gibt es keine anderen Rechte, die ihre unbeschränkte Geltung einschränken könnten.

[...]


[1] Wörtlich von der CDU/CSU als Präsidiumsbeschluss (2003). Auch Gewerkschaften, wenn man sie in dieser Allgemeinheit ansprechen darf, verbinden soziale Gerechtigkeit mit der Schaffung von Arbeitsplätzen, wobei soziale Gerechtigkeit und die Schaffung von Arbeit von ihnen noch als jeweils eigenständige Ziele betrachtet werden. Beispielhaft zeigt sich dies an der 2004 gegründeten Wahlinitiative „Arbeit und soziale Gerechtigkeit“. Schließlich wird die Kausalbeziehung von Arbeit und Gerechtigkeit zuweilen auch im Sinne von Gerechtigkeit schafft Arbeit gesehen (Siehe u. a . Lauterbach 2004).

[2] Vgl. Kersting (2003, S. 107).

[3] Monistisch bezieht sich ursprünglich auf den Monismus, der Einheitslehre, nach der die Wirklichkeit von einer Grundbeschaffenheit ist (vgl. Duden 1983). Hier wird monistisch als Gegensatz zu dualistisch und zwiespältig im Sinne von einheitlich verstanden.

[4] Vgl. Leisering (2004, S. 52).

[5] Die Rettung von Arbeitsplätzen beim Baukonzern Holzmann stellt eine solche aktionistische Maßnahme dar.

[6] Die Diskussion fand vor allem in angelsächsischen Ländern statt, wurde aber auch in Deutschland rezipiert (vgl. Blasche 1998, S. 125f.).

[7] Zwar gibt es eine Reihe von Monographien, die Gerechtigkeitstheorien auf Fragen der Beschäftigung anwenden, jedoch wird der Schwerpunkt dabei meist anders gelegt. So fragen Schlothfeldt (1999) und Krebs (1999), ob aus gerechtigkeitstheoretischer Sicht ein Recht auf Arbeit begründet werden kann. Wieder andere (u. a. Kersting (2000a) und Timm (2003)) gehen nur am Rande auf die Gerechtigkeit von beschäftigungsfördernden Maßnahmen ein oder konzentrieren sich wie Hinsch (1998) auf die Auseinandersetzung mit nur einer Theorie (in diesem Fall mit der von Rawls). Montada (1994) verfolgt schließlich eine ähnliche Fragestellung, legt den Schwerpunkt aber auf die Ebene der kleinformatigen Gerechtigkeitsdiskurse.

[8] Es gilt zu beachten, dass sich hinter beiden Begriffen „sozial“ und „gerecht“ verschiedene theoretische Konzepte verbergen, wobei in dieser Arbeit dem nachfolgend einzugrenzenden Konzept der sozialen Gerechtigkeit gefolgt wird.

[9] Vgl. Leisering (2004, S. 51).

[10] Vgl. Höffe (2001, S. 84).

[11] Vgl. Höffe (2001, S. 85).

[12] Vgl. Weise (2001, S. 54f.).

[13] Vgl. Timm (2003, S. 28f.).

[14] Blasche (vgl. 1998, S. 118) meint mit diesen historischen Wurzeln zum einen die bedürftigkeitsorientierte Armenfürsorge und zum anderen die leistungsorientierten, auf den Arbeitnehmer bezogenen und im Laufe des 20. Jahrhunderts entstandenen, Sozialversicherungen.

[15] Vgl. Leisering (2004, S. 33).

[16] Vgl. Leisering (2004, S. 36ff.).

[17] Klugheitsfragen beschäftigen sich mit der Ausgestaltung einzelner Regeln, die es im Lichte der tatsächlichen Wirkungseigenschaften alternativer sozialstaatlicher Arrangements – insbesondere im Lichte ihrer Rückwirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Marktes – zu beantworten gilt (vgl. Vanberg 2004, S. 8).

[18] Vgl. Krebs (2000, S. 10).

[19] Je nach Position in der Equality-of-What? Debatte werden Lebensaussichten genauer interpretiert als Verfügung über Ressourcen und Grundgüter, als Freiheit, Zugang, Befähigung zu Wohlergehen etc. (siehe hierzu Krebs 2000, S. 7ff.).

[20] Vgl. Kersting (2004, S. 11).

[21] Windfall profit bezeichnet einen unverdienten, keiner eigenverantwortlichen Leistung gegenüberstehenden Profit (vgl. Kersting 2004, S. 13).

[22] Kersting (2000b) nennt die im Folgenden vorgestellte Perspektive egalitaristischer Liberalismus. Zur besseren Abgrenzung der in Kapitel 2.2 behandelten liberalen Perspektive wird hier nur von Egalitarismus bzw. von der egalitären Perspektive gesprochen.

[23] Vgl. Kersting (2000b, S. 41f.).

[24] Kersting (2002, S. 95).

[25] Denn würde ein Eigenwert von Wohlfahrt nicht anerkannt und einzig Gleichheit als Gerechtigkeitskriterium gelten, dann müsste man das Beispiel von William Frankenas als gerecht ansehen, in dem alle umgebracht werden: „If a ruler were to boil his subjects in oil, jumping in afterwards himself, it would be […] no inequality in treatment.“ (1962, S. 17, zitiert nach Krebs 2000, S. 12).

[26] Vgl. Fleurbaey (1995, S. 26ff.).

[27] Bei Rawls spielen die Talente aber eine weniger zentrale Rolle als bei Dworkin (vgl. Fleurbaey 1995, S. 26).

[28] Der Unterschied erklärt sich, da Personen nicht unbedingt für alle ihre Ziele verantwortlich gemacht werden können, sie auf der anderen Seite aber zum Teil für die Möglichkeiten verantwortlich sind, die ihnen bei der Zielerreichung helfen.

[29] Vgl. Sen (1980).

[30] Vgl. Sen (2002, S. 99).

[31] Neben den egalitären Konzeptionen von Sen, Cohen, Arneson und Roemer können auch die Konzeptionen von van Parijs und Nagel nicht vorgestellt werden. Auch unterbleibt die Vorstellung von Kommunitaristischen bzw. nichtegalitären Konzeptionen wie die von Walzer, Nussbaum, Fraser oder Frankfurt.

[32] Mit der doppelten Egalitarismusdebatte ist die Equality-of-What? und die Why-Equality? Debatte gemeint (vgl. Timm 2003, S. 106).

[33] Für Kersting (2004, S. 12f.) wurde von Rawls mit „dem verhängnisvollen Argument von der moralischen Willkürlichkeit von Begabung, Charakter und Sozialisationsschicksal, der sich darauf stützenden Zurückweisung aller Verdienstlichkeit und dem überaus bedenklichen, totalitäre Assoziationen heraufbeschwörenden Lehrstück vom common asset, von der Allgemeinheit als dem idealen Gesamtbesitzer aller natürlicher und durch Erziehung erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Individuen“ die Büchse der egalitaristischen Pandora geöffnet.

[34] Vgl. Rawls (1994, S. 50).

[35] Vgl. Rawls (1994, S. 52).

[36] Vgl. Rawls (1994, S. 38).

[37] Rawls (1994). Um Konflikten zwischen beiden Grundsätzen entgegenzuwirken gibt Rawls dem Bereich von Recht und Freiheit den Vorrang vor dem Bereich der Gütererzeugung und Verteilung, der im zweiten Grundsatz behandelt wird (vgl. Kersting 2001a, S. 73).

[38] Vgl. Kersting (2001a, S. 72).

[39] Rawls (1975a, S. 83).

[40] Genau genommen stellt Selbstachtung aber kein gesellschaftliches Grundgut dar, da sie nicht von der Gesellschaft verteilt wird. Rawls zielt daher eher auf die sozialen Vorraussetzungen der Selbstachtung ab (vgl. Schlothfeldt 1999, S. 119).

[41] Rawls (1975a, S. 95).

[42] Kersting (2000b, S. 119).

[43] Rawls (1999, S. 83).

[44] Vgl. Rawls (1971, S. 98). In einem späteren Aufsatz formuliert Rawls seine Kriterien für die am stärksten benachteiligte Gruppe anders, indem er vorschlägt, die Verteilung müsse sich an den Ursachen der Benachteiligung orientieren, also an sozialer und familiärer Herkunft, natürlichen Begabungen und sonstigen Benachteiligungen durch Schicksal oder Glück (vgl. Rawls 1975b, S. 94ff.). Timm (vgl. 2003, S. 123) hält diese Änderungen jedoch für nicht entscheidend.

[45] Vgl. Kersting (2000b, S. 218).

[46] Vgl. Kersting (2000b, S. 219). In dieser Metapher nicht abbildbar ist die Tatsache, dass nicht nur die durch Begabung Begünstigten gehandicapt, sondern auch die Benachteiligten unterstützt werden können, um eine gleiche Ressourcenverteilung zu erreichen.

[47] Dworkin (1981b, S. 311).

[48] Nach Kersting (vgl. 2000b, S. 226) kann dies nicht empirisch bestätigt werden, da all unsere Begabungen und Fähigkeiten von zufälligen Bedingungen abhängen.

[49] Vgl. Vosskuhle (2004).

[50] Vgl. Kersting (2000a, S. 180).

[51] Dworkin (1985, S. 196), übersetzt nach Kersting (2000a, S, 180).

[52] Vgl. Kersting (2000b, S. 50f.).

[53] Vgl. Homann (2003, S. 110).

[54] Vgl. Priddat, Schefczyk (2000, S. 438).

[55] In deutscher Sprache ist das Sammelband von Angelika Krebs, Gleichheit oder Gerechtigkeit (2000), zu nennen, in dem einige der wichtigsten Texte der neuen Egalitarismuskritik versammelt sind.

[56] Vgl. Krebs (2000, S. 16ff.).

[57] Vgl. Kersting (2000b, S. 231).

[58] Die liberale Perspektive ist zur Abgrenzung zum liberalism im nordamerikanischen Sprachraum mit dem Attribut „klassisch“ zu versehen, um zu präzisieren, dass liberal im Sinne der britischen politischen Tradition bzw. Liberalismus im Sinne der europäischen Verwendung verstanden wird. Kersting (2000a) bezeichnet diese klassische liberale Perspektive als Libertismus. Für weitere Ausführungen zum Begriff des Liberalismus siehe Timm (2003, S. 31ff.).

[59] Zintl (2000, S. 95).

[60] Dem Prinzip der Subsidiarität entspricht, dass „dasjenige, was der einzelne aus eigener Initiative und mit eigener Kraft leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaft zugewiesen werden darf (Sozialenzyklika Quadragesimo Anno des Papstes Pius XI von 1931, zitiert nach von Weizsäcker 2003).

[61] Vgl. Höffe (2001, S. 85).

[62] Vgl. Nothelle-Wildfeuer (2004, S. 157ff.).

[63] Vgl. Zintl (2004, S. 123).

[64] Vgl. Kersting (2002, S. 94).

[65] Kersting (2004, S. 21).

[66] Vgl. Blasche, Döring (1998, S. 12f.).

[67] Kersting (2000a, S. 7).

[68] Vgl. Timm (2003, S. 84).

[69] Vgl. Timm (2003, S. 51).

[70] Nozick (1974, S. 238).

[71] Vgl. Nozick (1976, S. 29ff.).

[72] Vgl. Schlothfeldt (1999, S. 94).

Ende der Leseprobe aus 118 Seiten

Details

Titel
Sozial ist, was Arbeit schafft?
Untertitel
Beschäftigungsfördernde Maßnahmen aus der Sicht von Gerechtigkeits- und Sozialstaatskonzeptionen
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Note
1,5
Autor
Jahr
2006
Seiten
118
Katalognummer
V89846
ISBN (eBook)
9783638035484
ISBN (Buch)
9783638932325
Dateigröße
1786 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sozial, Arbeit
Arbeit zitieren
Dipl. Vw.; M.A. Nils Christian Hesse (Autor:in), 2006, Sozial ist, was Arbeit schafft?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89846

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