Inge Müller, die DDR- Schriftstellerin und ihre Lyrik

Vorstellung der Person und Gedichtanalyse


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

25 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Inge Müller
2.1 Das Leben von Inge Müller
2.2 DDR und die politischen Umstände
2.3 Literarische Leistungen

3. Gedichtanalyse
3.1 Interpretation
3.2 Aufbau, Sprache, Ton

4. Im Schatten Heiner Müllers

5. Zusammenfassung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Rahmen des Hauptseminars „Heiner Müller“, werde ich in dieser Arbeit über seine Frau Inge Müller schreiben und ihre Gedichte analysieren, um mehr über ihr Leben, die damaligen politischen und kulturellen Umstände, sowie über die Leute, die ihr Leben geprägt haben, zu erfahren.

In der DDR war sie die Frau im Schatten ihres Ehemannes, des Dramatikers Heiner Müller. Erst später lässt sich nachweisen, wie intensiv Inge Müller als Schriftstellerin und Lyrikerin gearbeitet hat. Die literarische Leistung von Inge Müller beschränkte sich keineswegs nur auf das Gebiet der Lyrik, sie schrieb auch Kindergeschichten und Hörspiele. Ihre Lyrik ist sehr anschaulich, einfach und für den Leser zugänglich. Die Gedichte sind Beleg des Lebens der Dichterin, das sehr kurz und oft schrecklich war. Daher konzentriere ich mich in meiner Arbeit nur auf den Gedichten, die sie schrieb, auf diese, als es um sie und in ihr schlimm wurde. Wie „Die Welt“ schrieb, ist Inge Müller „…eine der zweifellos wichtigsten deutschen Nachkriegsdichterinnen…“

Auf Inge Müller wurde ich während des mündlichen Ausführens eines Referates im Rahmen des Hauptseminars „Heiner Müller“ aufmerksam. Das Referat behandelte ausführlich das private Leben Inge Müllers kurz vor ihrem Tod und ihre liebes- und berufliche Beziehung mit Heiner Müller, sowie eine Interpretation ihrer Lyrik.

Die politischen Hintergründe, die kulturellen Umstände in der Nachkriegszeit, die das Leben der Schriftstellerin stark geprägt haben, spielen eine wichtige Rolle. Mir scheinen diese wichtig zu sein, um die Gedichte von Inge Müller besser verstehen zu können. Daher werde ich diese Hauptseminararbeit mit dem Leben von Inge Müller, mit dem Berlin der Zwanzigerjahre und mit den politischen Umständen beginnen. Danach versuche ich zu erklären mit welchen Schwierigkeiten Inge Müller als DDR-Schriftstellerin zu kämpfen hatte. Im Kapitel 3 werde ich die ausgewählten Gedichte von Inge Müller analysieren, b.z.w. die Sprache, den Ton und den Satzbau. Gleichzeitig versuche ich im Kapitel 3 zu erläutern, was Inge Müllers Gedichte so besonders macht und was hinter den besonderen Titeln und spezifischen Satzkombinationen steckt.

Mit der Frage, warum Inge Müller so lang im Schatten ihres Ehemannes Heiner Müller stand, beschäftige ich mich im vierten Kapitel. Durch mehrere Perspektiven versuche ich ihren gemeinsamen Alltag zu beschreiben. Ich beschäftige mich in diesem Kapitel auch noch mit der Frage, ob der massive Druck der ostdeutschen Kultur-Politik die Liebes- und Arbeitsbeziehungen des Schriftstellerpaars veränderte.

2. Inge Müller

2.1 Das Leben von Inge Müller

Inge Müller wurde am 13. März 1925 in Berlin geboren. Sie verbrachte die Kindheit in Berlin-Lichtenberg. Nach dem Kriegsende arbeitete sie in verschiedenen Berufen, sie war Sekretärin, Trümmerfrau, Arbeiterin und Journalistin.[1] Als Ingeborg Meyer geboren gehört zu einer Familie verschiedene sozialer Herkunft. Ihre Mutter war die Tochter einer preussischen Offiziersfamilie, der Vater schlesischer Zuwanderer, der sich vom Boten zum Abteilungsleiter in einem Verlag hocharbeitete. Inge Müllers Kindheit prägen die Liebe zur proletarischen Grossmutter, Ballettunterricht und Akkordeonspiel. Als sie vierzehn Jahre alt war, begann der Krieg und somit begannen auch die bitteren Erlebnisse von Inge Müller, damals Meyer. Nach dem Handelsabschluss und Kriegshilfsdienst, erhielt sie in den letzten Kriegstagen noch eine Kurzausbildung als Kraftfahrerin und wurde als Luftwaffen- und Nachrichtenhelferin eingezogen.[2]

Kurz vor Ende des 2. Weltkrieges, als sie zwanzig Jahre alt war, starben ihre Eltern nach einem Luftangriff auf Berlin-Lichtenberg. Die Eltern waren drei Tage im Keller ihres zusammengestürzten Hauses begraben. Alle Häuser und Strassen waren völlig zerstört von Bomben und überall lagen tote Menschen. Die junge Inge Müller musste alles sehen, als sie nach dem Dienst kurz vor dem Kriegsende zurückkam. Sie fand ihre Eltern tot, unter einer verbrannten Tür und grub sie aus den Trümmern frei. Auch weitere Leichen wurden geborgen. Obwohl viele Tote in diesen Tagen in den Gärten begraben wurden, wollte Inge Müller für ihre Eltern ein Friedhofsgrab. Als sie einen Wagen für den Transport der Eltern suchte und etwas später zurückkam, erwartete sie wieder eine andere bittere Tatsache. Ihrer toten Mutter fehlte ein Ring und mit ihm der ganze Finger.[3]

Schon als kleines Mädchen und als junge Frau musste Inge Müller viele bittere Ereignisse miterleben, die ihr ganzes Leben prägen. Obwohl sie viele Alpträume und schlechte Erinnerungen in sich trug, kämpfte sie für ein normales und glückliches Leben. Der Schock des Krieges und der Verlust der Eltern, haben ihr während des ganzen Lebens seelische Wunden hinterlassen. Etwas davon kann man am besten durch ihre Gedichte erfahren. „Von Inge Müllers Leben, ihren Nöten und Verlassenheiten, ihrem Ehrgeiz, ihrer Selbstaggression, Trauer und Lebensgier ist kaum zu lesen. In den Aufbruch Berlins der Zwanzigerjahre hineingeboren und 1945 als Wehrmachtshelferin eingezogen, erlebt sie die ständige wechselnde Front um das brennende Berlin. Sie erduldet die mühsamen, turbulenten Aufbaujahre in Ostberlin.“[4]

Mit dem Erscheinen von Kurt Loose im Leben der Inge Müller scheint sich die extreme Anspannung der Kriegswochen aufzulösen. „Er wird ihr Vertrauter, ihr Geliebter, ihr Geistesverwandter. Durch ihn holt sie sich das Lachen zurück, verliert ihr Leben wieder an Mechanik, mit ihm läuft sie durch die hohen Sommerfelder hinter der Stadt.“[5]

Die Ehe mit Lohse dauerte nicht lange. Mit ihm bekam sie den Sohn Bernd, der 1946 geboren wurde. In dieser Zeit wollte Inge Müller den Neubeginn und den Aufbau der DDR nach 1949 mit allen ihren Kräften unterstützen. Sie arbeitete in einem Berliner Industriebetrieb und dann als Volkskorrespondentin und Referentin für Kultur. In dieser Zeit lernte sie ihren zweiten Ehemann Herbert Schwenkner kennen.[6]

Mit einem Kind aus erster Ehe heiratete sie den älteren Mann, den Kommunisten Herbert Schwenkner, der den Friedrichstadtpalast leitete und später Direktor vom bekannten Zirkus Busch wurde. Inge Müller war glücklich mit dem Zirkusdirektor und genoss es, als sehr junge Frau in einem Haus am Lehnitzsee im Norden Berlins privilegiert zu leben. Ihr Mann Herbert Schwenkner hatte ein beachtliches Gehalt, Reisefreiheit und ein Auto. Nicht nur dass sie im Luxus lebte, sie hatte auch erfolgreiche Nachbarn, wie den Schriftsteller Friedrich Wolf, der ihr die ersten Wege als Schriftstellerin ebnete.[7]

Inge Müller schien neben Schwenkner sehr glücklich zu sein. Auf jeden Fall bekam sie immer das, was sie haben wollte, und sie war schon immer eine selbstbewusste Frau, die auch wusste, was sie will. Sie wünschte sich ein Zirkusleben, um an verschiedenen Orten zu sein und gleichzeitig lachen zu können, Sekt zu trinken und auch noch in gewagtem Dekolleté an Parties im Friedrichstadt-Palast teilzunehmen. All dies ermöglichte ihr der Zirkusmanager Herbert Schwenkner. Nicht nur dass sie in dieser Zeit überall unter Menschen fröhlich zu sehen war, sie konnte ebenso gut alleine in ihrem Zimmer Gedichte schreiben. In dieser Zeit begann sie zu schreiben und besuchte verschiedene schriftstellerische Aktivitäten. An einem Literaturabend lernte sie den Schriftsteller Heiner Müller kennen und begann einen neuen Lebensabschnitt.

„Noch vor der Scheidung von ihrem zweiten Ehemann erprobte sie mit Heiner Müller an ihrem Wohnort in Lehnitz bei Oranienburg den Aufbruch in die ästhetische Utopie - den Traum vom autonomen dichterischen Sprechen zweier gleichrangiger Stimmen. In dieser Zeit entstehen einige gemeinsame Gedichte, in denen sich die Liebesakteure reichlich mit rührendem Sentiment versorgen.“[8] Sie verbrachte viel Zeit mit dem jungen Dichter Heiner Müller. Nicht nur die gemeinsamen Gedichte verbinden die beiden, sondern sie verliebten sich in einander. So liess sich Inge Meyer Lohse Schwenkner, scheiden und wurde Inge Müller.[9]

Nach einigen Jahren Ehe mit Heiner Müller, stürzt Inge Müller in den sechziger Jahren in eine furchtbare Depression. Es ist kaum möglich die frühere, glückliche Inge Müller in Übereinstimmung zu bringen mit der jetzigen, verzweifelten Inge Müller, die seit 1957 mit zahllosen Selbstmordversuchen ihre Umgebung in Atem hält. Bereits 1956 stürzte sich Inge Müller mit dem 16-jährigen Bruder ihres Mannes Wolfgang Müller in eine Affäre. Bald darauf beginnt ihr Weg in den Abgrund der Schmerzen, der im Dezember 1957 zum ersten Mal in ihrem Tagebuch festgehalten ist.[10]

Die Gefährdung von Inge Müller führte dazu, dass sie immer allein und fern von anderen Menschen war, nur mit ihrer Poesie. Ihre Gedichte kannte zu ihren Lebzeiten niemand, weil sie diese geheim hielt. Sie hielt die aggressiven Erinnerungen an gruselige Taten für sich. Sie spielte sehr gern Akkordeon und deswegen schloss sie sich für mehrere Stunden in ihrem Zimmer ein, und niemand konnte sie aufhalten. Sie spielte besessen bis zur Erschöpfung und sie war dann für niemanden mehr erreichbar. Als es aber dann still wurde, war Inge Müller mehr denn je erschrocken, verzweifelt und gequält. Nach mehreren Selbstmordversuchen beendete sie in der Nacht zum 1. Juni 1966 ihr Leben.[11]

„Der weibliche Part des Paars verzehrt sich in ungestilltem Liebesbegehren, reagiert auf den Rückzug des Partners zunächst mit psychosomatischen Beschwerden, danach mit schweren Depressionen und schließlich, da der Dichterkönig immer mehr seinem künstlerischen Autismus folgt, mit Suizid.“[12]

2.2 DDR und die politischen Umstände

Inge Müller, erlebte als 18-, 19-jährige, das Endstadium der Hitler-Diktatur. Die Zeit der totalen Mobilmachung erlebt sie im Reichsarbeitsdienst an verschiedenen Einsatzorten in der Steiermark, bis sie als Luftwaffenhelferin zum Endkampf nach Berlin befördert wurde. Dort erlebte sie die maßlose Wut der Zerstörung und wurde kurz vor Kriegsende unter den Trümmern eines einstürzenden Hauses verschüttet. Es sind traumatischen Erfahrungen, die ihr ganzes Leben geprägt haben und die sie in ihre intensivsten Gedichte eingeschrieben hat.[13]

So äusserte sich Inge Müller über den Krieg: „man kann über den Krieg lesen, man kann im Fernsehen Krieg sehen, Bilder gibt es, Berichte, aber was Krieg wirklich ist, muss man gefühlt haben.“[14]

[...]


[1] Vgl. Sundermeier, Jörg: Mythos werden ist nicht schwer. www.nadir.org/nadir/periodika/ jungle_world/_2002/32/26a.htm. 31. Juli.2002. 31.10.2005

[2] Vgl. Müller, Inge: Irgendwo; noch einmal möchte ich sehn. Lyrik, Prosa, Tagebücher. Mit Beiträgen zu ihrem Werk. Hrsg. von Ines Geipel. O.N. S. 338.

[3] Vgl. Geipel, Ines: Dann fiel auf einmal der Himmel um. Inge Müller. Die Biografie. Berlin. 2002. S. 88.

[4] Geipel, 2002. S.1.

[5] Geipel, 2002. S.93.

[6] Vgl. Müller, Inge: Ich bin eh ich war. Gedichte. Blanche Kommerell im Gespräch mit Heiner Müller. Versuch eine Annäherung. Giessen. 1992. S. 12.

[7] Vgl. Krechel, Ursula: Müller, geborene Meyer, geschiedene Lohse. www.zeit.de/2005/37/L-Inge_M_9fller. 29. Okt. 2005.

[8] Braun, Michael: Schmerzen, Schmerzen, Schmerzen. www.freitag.de/2002/13/02133101.php. 22.3.2002. 29.Okt.2005.

[9] Braun, 29.Okt.2005.

[10] Vgl. Braun, 29.Okt.2005.

[11] Vgl. Müller, O.N. S. 276.

[12] Braun, 29.Okt.2005.

[13] Vgl. Braun, 29.Okt.2005.

[14] Müller, 1992. S. 10.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Inge Müller, die DDR- Schriftstellerin und ihre Lyrik
Untertitel
Vorstellung der Person und Gedichtanalyse
Hochschule
Université de Fribourg - Universität Freiburg (Schweiz)  (Universität Freiburg (Schweiz))
Note
gut
Autor
Jahr
2005
Seiten
25
Katalognummer
V89414
ISBN (eBook)
9783638028882
Dateigröße
425 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Inge, Müller, DDR-, Schriftstellerin, Lyrik
Arbeit zitieren
Ermira Islami (Autor:in), 2005, Inge Müller, die DDR- Schriftstellerin und ihre Lyrik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89414

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