Zu Adalbert Stifter: "Der Hochwald" (1842/44)


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

30 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Einführung
1.1 Adalbert Stifter
1.2 Entstehungsgeschichte „Der Hochwald“:
1.3 Fiktion und Wirklichkeit in Stifters „Hochwald“
1.3.1 Historischer Hintergrund
1.3.2 Personen und Schauplätze
1.3.3 Anzunehmende autobiographische Bezüge
1.3.4 Intertextuelle Bezüge:

2. Analyse und Interpretation
2.1 Die handelnden Figuren und ihre Verhältnisse zueinander
2.1.1 Die Schwestern Clarissa und Johanna
2.1.2 Der Vater
2.1.3 Gregor
2.1.4 Ronald
2.1.5 Ritter Bruno
2.2 Sprache
2.2.1 Beschreibung der Schauplätze, der Natur und des Krieges
2.2.2 Die Motive und ihre sprachliche Gestaltung
2.2.3 Konflikt
2.3 Dramaturgie und Stilmittel der poetischen Prosa

3. Literarische Einordnung
3.1 Gattung
3.2 Epochale Einordnung
3.2.1 Übersicht über die Merkmale verschiedener Epochen im „Hochwald“
3.3 Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Adalbert Stifter, geboren 1805, schrieb seine Erzählung „Der Hochwald“ in den Jahren 1841/42. Somit stehen sowohl das Werk als auch der Autor schon aufgrund der Entstehungs- beziehungsweise Lebensdaten zwischen den literarischen Epochen der Romantik und des Realismus. In dieser Arbeit sollen nach einem einführenden Überblick über den Autor und die Entstehungsgeschichte sowie über die historische Hintergründe des „Hochwalds“ durch Analyse und Interpretation z.B. der Figuren, der Handlung, der Sprache und Motivik sowie der Dramaturgie weitere Kriterien für die literarische Einordnung von Stifters „Hochwald“ gefunden und begründet werden.

1. Einführung:

1.1 Adalbert Stifter

Adalbert Stifter wurde am 23. Oktober 1805 in Oberplan im Böhmerwald (heute: Horm-Planá, Tschechien) als Sohn des Leinwebers und -händlers Johann Stifter und dessen Frau Magdalena in kleinbürgerlich-bäuerlichen Verhältnissen geboren. Nach dem Tod des Vaters trat er im Jahr 1818 in das Gymnasium des Benediktinerstifts Kremsmünster ein und erhielt dort eine theologisch-humanistische Ausbildung. Er studierte Jura in Wien, arbeitete aber als Lehrer, Schriftsteller und Maler. Mehr als 160 Zeichnungen, Aquarelle und Ölbilder entstanden, darunter auch Bilder des Plöckensteinsees und der Burg Wittinghausen.

Noch während des Studiums lernte er Fanny Greipl im heimatlichen Friedberg kennen. Die Jugendliebe zwischen Adalbert Stifter und Fanny Greipl blieb jedoch letztlich unerfüllt (siehe Kap. 1.3.3) und Stifter heiratete 1837 Amalie Mohaupt. Im Alter war der Autor häufig krank und litt unter Depressionen. Durch Selbstmord während eines Schmerzanfalls griff er seinem natürlichen Tod wohl nur um wenige Tage vor und starb am 28. Januar 1868 in Linz.

Der Durchbruch als Dichter gelang Stifter im Jahr 1840, die öffentliche Aufmerksam­keit stieg und ein regelrechter Stifter-Kult entstand. Die Erzählungen „Der Hochwald“, „Feldblumen“ und „Condor“ wurden in Journalen publiziert. Diese Form der Veröffentlichung trug wegen ihrer großen Leserschaft auch dazu bei, dass Stifter bei seinen Zeitgenossen zum Publikums­liebling avancierte.

Das Österreichische Morgenblatt schrieb 1847: „Bei Stifter ist nichts Gemachtes, nichts Erlerntes, nichts Anempfundenes und Erlogenes. Stifter ist ein Dichter.“

Nach 1848 wurden seine Werke deutlich weniger zur Kenntnis genommen und erst wieder durch Nietzsche entdeckt.

1.2 Entstehungsgeschichte „Der Hochwald“:

Die Erzählung „Der Hochwald“ entstand ca. 1840-41 und erschien erstmals im „Iris“-Taschenbuch für Jahres 1842. Den ursprünglich geplanten Titel „Der Wildschütz“ änderte Stifter nach einer Umarbeitung in „Der Hochwald“.

Der Herausgeber der „Iris“ wollte den „Hochwald“ 1842 nicht in den Jahresband aufnehmen. Stifter protestierte jedoch heftig und war überzeugt von der Qualität seines Werkes. Das Nichterscheinen seines Namens in der „Iris“-Ausgabe von 1842 hätte seiner Ansicht nach seinem Ruf geschadet. Nachdem der Verleger das Manuskript gelesen hatte meinte er, kein Werk „der modernen Literatur“ beeindrucke ihn so, Stifter habe einen neuen Stil gefunden. So wurde „Der Hochwald“ doch noch 1842 herausgegeben. 1844 erschien eine überarbeitete Fassung im zweiten Band der „Studien“ von Adalbert Stifter. Die Erzählung wurde ein großer Erfolg und schon zu Lebzeiten des Autors in vier Sprachen übersetzt.

1.3 Fiktion und Wirklichkeit in Stifters „Hochwald“

1.3.1 Historischer Hintergrund

Der historisch belegbare Rahmen der Handlung ist der Dreißigjährige Krieg (1618-1648). Ohne dass im Werk eine genaue Datierung der Geschichte angegeben ist, kann aufgrund der historischen Ereignisse eine Handlungszeit um das Jahr 1632 angenommen werden:

Nachdem die Protestanten etliche Gebiete verloren hatten und der Kaiser gestärkt war, traten u. a. die Schweden um 1628 unter ihrem reformierten König Gustav II Adolf gegen die Katholiken in den Krieg ein.

Der im Text als „er“ (S. 82, Z. 48) erwähnte Gustav II von Schweden starb 1632. Als Ronald Clarissa verließ, „lebte er noch“ (82, 28). Matthias Gallas, Graf Campo (112, 26), kämpfte Anfang der 1830er Jahre als Befehlshaber in Böhmen und kehrte später nicht mehr dorthin zurück. Der Krieg dauerte entgegen allen Vermutungen Ronalds noch etliche Jahre an (117, 7 ff.).

Der Erzähler beschreibt eingangs die Schauplätze aus zeitgenössischer Sicht des Autors. Der Hochwald erschien 1842, die erzählte Geschichte spielt 200 Jahre zuvor. So kann auch aus diesem Umstand eine Handlungszeit um 1632 geschlossen werden.

Fiktiv ist das Vorrücken der Schwedischen Soldaten bis nach Wittinghausen.

Die Burg existierte jedoch tatsächlich. Im Dreißigjährigen Krieg blieb sie unversehrt, die Schweden drangen nicht so weit in das Waldgebiet ein, das die Burg umgab. Später wurde sie entweder auf kaiserlichen Befehl abgebrochen oder zerfiel im Laufe der Zeit.

Stifter erschließt im Hochwald mit der historischen Erzählweise eine neue Funktion der Literatur. Der Autor nimmt die erweiternde Rolle eines Geschichtsschreibers wahr und vermittelt historisches Wissen. So erhält Literatur auch die Aufgabe, historische Ereignisse schriftlich festzuhalten.

1.3.2 Personen und Schauplätze

Die handelnden Personen sind, von möglichen autobiographischen Bezügen abgesehen (siehe Kap. 1.3.3), keine historischen. Letztere werden nur erwähnt und ver­deutlichen die Einbettung der Handlung in ein historisches Umfeld.

Stifter äußerte sich in seinen „Studien“ über die Fiktion im „Hochwald“: „Im Hoch­walde habe ich die Geschichte als leichtsinniger junger Mensch über das Knie ge­brochen, und sie dann in die Schubfächer meiner Phantasie hinein gepfropft. Ich schäme mich jetzt beinahe jenes kindischen Gebarens“[1]

Die einleitende Beschreibung der Schauplätze durch den Erzähler kann zumindest in ihren Grundzügen als durchaus realistisch angesehen werden. Schließlich kannte Stifter die Gegend um Friedberg gut (siehe Kap. 1.3.3) und der Erzähler schildert sie vor der Rückblende in die Zeit der erzählten Geschichte aus zeitgenössischer Sicht Stifters. Der Verlauf der Moldau, die Orte Friedberg und Oberplan, die hügelige Land­schaft mit der beschriebenen Flora u.a. sind sogar heute noch real nach­vollziehbar. Auch Stifters Bilder der Ruine Wittinghausen und des Plöckensteinsees (der Zaubersee im „Hochwald“) lassen eine durchaus realistische Sicht auf die Schauplätze vermuten. Inwiefern auch Details wie zum Beispiel „ein dichter Anflug junger Fichten“, der „uns nach einer Stunde Wanderung“ (5, 4 f.) aufnimmt, ebenfalls realistisch dargestellt sind, bleibt jedoch ungeklärt.

1.3.3 Anzunehmende autobiographische Bezüge

Stifters Heimat ist Böhmen. Folgt man Mathias Mayers Biografie, so verweist der Name von Stifters Geburtsort Oberplan auf den oberen Plan, also eine kultivierte Fläche.[2] Umgeben war diese Fläche von Hügeln und Wäldern.

Die Landschaft des Böhmerwaldes hat Stifter während seines gesamten Lebens beeinflusst. In seinen Büchern und Bildern spielt sie oft eine zentrale Rolle. Von der Burg Wittinghausen entstanden sogar mehrere Bilder. Schon in seiner Kinder- und Jugendzeit hielt sich Stifter oft im Wald auf und unternahm als Student Ausflüge zur Burg Wittinghausen im Dreiländereck in Oberösterreich.

Der Erzähler beweist im „Hochwald“ sehr genaue Ortskenntnis und schildert die Umgebung der Burg, wie in Kapitel 1.3.2 gezeigt, durchaus realistisch. Er erwähnt zu Beginn des „Hochwaldes“ den Doppeltraum der „Jugend und den der ersten Liebe“ (3, 31) sowie ebenfalls in der Einleitung die „lieben aufkeimenden Jugendgefühle“ (7, 19). Möglicherweise erinnerte sich Stifter beim Schreiben dieser Worte an seine eigene Jugend.

Ein weiterer möglicher autobiographischer Bezug des Hochwalds zum Autor ist die Liebe Stifters zu Fanny Greipl, deren äußerliche und charakterliche Züge sich im „Hochwald“ in der Figur der Clarissa wiederfinden. Es kam zum Bruch mit dem Hause Greipl, da Fannys Eltern den Dichter und Maler nicht als Ehemann für ihre Tochter annehmen wollten. Auch im Hochwald sind es äußere Umstände, welche die Erfüllung der Liebe zwischen Clarissa und Ronald verhindern. Friedberg, der Wohnort Fannys, wird im „Hochwald“ zerstört, was möglicherweise als Indiz für den Abbruch der Beziehung Stifters zur „Braut seiner Seele“[3] darstellt, die im Jahr 1838 einen anderen heiratete und im Folgejahr starb.

1.3.4 Intertextuelle Bezüge

Witiko gründet in Stifters späterem, gleichnamigen Roman die Burg Wittinghausen. Die Ballade von den weißen Gebeinen (11 und 74) entstand im Jahr 1831 und ist ein Selbstzitat Stifters.

2. Analyse und Interpretation

2.1 Die handelnden Figuren und ihre Verhältnisse zueinander

2.1.1 Die Schwestern Clarissa und Johanna

Die Töchter Heinrich des Wittinghausers, Clarissa und Johanna, sind die Haupt­figuren in Stifters „Hochwald“.

Beide sind tugendhaft, hübsch und nach bürgerlichen Moralvorstellungen erzogen. Sie leben abgeschirmt von allen Wirren des Krieges auf der Burg Wittinghausen in einer zumindest scheinbaren Idylle, und der Vater versucht nach Kräften alle Sorgen von ihnen fern zu halten. Ihre Handarbeiten und Beschäftigungen mit den schönen Künsten sowie die Harfe als das Engels­instrument schlechthin sind Symbole für den Frieden und werden nicht mehr genannt, nachdem die Katastrophe geschehen ist. Beide Schwestern sind fromm, beten oft und haben jede einen Betschemel in ihrem Zimmer (10,35).

Die Bedrohung des Krieges ist für beide Mädchen höchstens von persönlicher Bedeutung. Sie fürchten um ihr Heim, ihre Familie und Clarissa um ihr Glück mit Ronald. Um politische oder gesellschaftliche Folgen machen sie sich in ihrer abgeschirmten Umgebung keine Gedanken. Auch weder der Vater noch Gregor sprechen ihnen gegenüber von größeren Dimensionen des Krieges. Nur Ronald erwähnt seine Vision der Zeit nach dem Krieg, in der „kein Unterschied mehr zwischen schwedisch und deutsch“ (89, 2 f.) sein werde.

Das genaue Alter der Mädchen wird nicht genannt, es lässt sich nur ungefähr aus ihren Äußerungen, Beschreibungen und Verhaltensweisen schließen.

Clarissa ist die ältere der beiden. Sie mag im jugendlichen Alter sein. Ronald wirbt um sie und Clarissa hat, nachdem er in den Krieg gezogen war, ihre kindlichen Züge verloren, die Ronald seit ihrem letzten Zusammentreffen vor wenigen Jahren in Erinner­ung geblieben. Er sagt: „Du warst damals ein Kind, aber die Kinderlippen entzückten mich mehr, als später jede Freude der Welt.“ (84, 17 ff.).

Clarissa liebt Ronald, obwohl sie ihm bis zu ihrem Wiedersehen im Wald nicht verzeiht, dass er fortging. Schließlich verloben sie sich. Aber die Liebe bringt für Clarissa auch Sorgen mit sich. Ihr ist, „als seien jene einförmigen Tage vorher [vor dem Treffen mit Ronald] glücklicher gewesen [...].“ (96, 25 f.). Clarissa spürt einen „Schauer von Wonne“ (96, 21). Mit diesen zwei Worten beschreibt Stifter die Furcht und Ungewissheit in Clarissas Gefühlen, die gleichzeitig mit den Glücksgefühlen der Liebe auftreten. Clarissas Liebe zu Ronald hält ihr Leben lang an, auch „als sie schon achtzig Jahre alt geworden, und längst ruhig und heiter war [...].“ (117, 24 f.).

Im Gegensatz zu ihrer jüngeren Schwester ist Clarissa auch deutlich rationaler und realitätsbewusster. Johannas Aberglauben teilt sie nicht: „Clarissa widersprach [...], und meinte, derlei dichte der Aberglaube dazu.“ (13, 35 f.). Sie realisiert sofort, was passiert ist, als sie die Ruine Wittinghausen durch das Fernrohr sieht und sagt gefasst „Es ist geschehen.“ (104, 30).

Kindliche Ereiferung hat Clarissa abgelegt, sie ist reifer als ihre Schwester: Den Tausch der Mädchenkleider empfindet sie als unangenehm, sobald sie sich im Spiegel sieht, während Johannas Augen „vor Vergnügen“ (54, 3 f.) funkeln.

Clarissa gibt sich im ersten Moment nach dem Ereignisbericht des Ritters selbst die Schuld an der Katastrophe. Sie hat Ronald, den sie liebt und der unfreiwillig den Kampf auslöst, gehen lassen. Damit meint sie Schuld auf sich geladen zu haben. Ihre Sehnsucht und Liebe zu Ronald begleitet sie bis an ihr Lebensende.

[...]


[1] Adalbert Stifter: Studien. S. 1202.

[2] Mathias Mayer: Adalbert Stifter. Erzählen als erkennen. Stuttgart 2001, S. 11.

[3] Adalbert Stifter: Sämtliche Werke. Begr. u. hrsg. von August Sauer, fortgef. v. Franz Hüller. Prag 1904 ff. (Reprint Hildesheim 1972), S. 17.

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Zu Adalbert Stifter: "Der Hochwald" (1842/44)
Hochschule
Universität Karlsruhe (TH)  (Institut für Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Zwischen Romantik und Realismus: Prosa um 1830
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
30
Katalognummer
V85725
ISBN (eBook)
9783638006880
Dateigröße
535 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Adalbert, Stifter, Hochwald, Zwischen, Romantik, Realismus, Prosa
Arbeit zitieren
Thomas Schachschal (Autor:in), 2007, Zu Adalbert Stifter: "Der Hochwald" (1842/44), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85725

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