Die Neue Leipziger Schule. Eine akteurzentrierte Diskursanalyse


Magisterarbeit, 2007

106 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretische Herleitung zur Diskursanalyse der Neuen Leipziger Schule
2.1 Theoretische Voraussetzungen für eine akteurzentrierte Diskursanalyse
2.1.1 Ferdinand de Saussure und die soziale Bedingtheit von Kommunikation
2.1.2 Michel Foucault und die Entstehung von „Wissen“
2.1.3 Pierre Bourdieu und die Bedeutung der Akteure
2.2 Die akteurzentrierte Diskursanalyse im Anschluss an Bourdieu
2.2.1 Verhältnis des kulturellen zum sozialen Feld
2.2.2 Das kulturelle Feld und seine Akteure
2.2.3 Die Analyse des NLS-Diskurses

3 Diskursanalyse - Die Neue Leipziger Schule
3.1 Die Akteure und ihre Positionen im zeitlichen Verlauf von
1997 bis 2006
3.1.1 Die Künstler
3.1.1.1 Arno Rink
3.1.1.2 Sighard Gille
3.1.1.3 Neo Rauch
3.1.1.4 Matthias Weischer
3.1.1.5 Tim Eitel
3.1.2 Die Galeristen
3.1.2.1 Gerd Harry Lybke
3.1.3 Die Sammler
3.1.3.1 Karl-Heinz Essl
3.1.3.2 Mera und Don Rubell
3.1.4 Die professionellen Kunstkritiker
3.1.4.1 Leipziger Volkszeitung
3.1.4.2 The New York Times
3.1.4.3 Deutsche Kunstfachzeitschriften
3.1.5 Die professionellen Kunstexperten
3.1.5.1 Claus Baumann
3.1.5.2 Hans-Werner Schmidt
3.2 Zusammenfassung – Konsensbildung?

4 Diskussion und Ausblick: Die Bedeutung der amerikanischen Akteure

5 Literaturverzeichnis
5.1 Monographien, Herausgeber- und Nachschlagewerke
5.2 Ausstellungskataloge
5.3 Artikel
5.4 Internetquellen

1 Einleitung

In den letzten Jahren sind einige junge Maler wie Neo Rauch, Matthias Weischer, Christoph Ruckhäberle und Tim Eitel sehr erfolgreich geworden. Gleichzeitig zu den sich häufenden Berichten über spektakuläre Preise, die ihre Gemälde in Auktionen erzielten, sowie Teilnahmen an wichtigen Ausstellungen in den größten Museen und Galerien weltweit, wurden die Künstler in den Medien anhand unterschiedlicher Kriterien zu einer Gruppe mit dem Namen „Neue Leipziger Schule“ zusammengefasst. In anderen Veröffentlichungen hingegen wurde diskutiert, ob dieser gruppenkonstituierende Begriff seine Rechtmäßigkeit habe.

Die Bezeichnung Neue Leipziger Schule[1] verweist auf einen anderen Begriff, nämlich den der „Leipziger Schule“, welche wiederum eine Malergeneration in Leipzig umfasst, die in den 1960er bis 1980er Jahren als Gruppe Bekanntheit erlangte. Allerdings war und ist dieser Begriff bis heute sehr umstritten.[2]

Wissen, wie z.B. das über eine NLS, ist ein soziales Produkt, da Wissen niemals unabhängig von Zeit, Raum und Gesellschaft existiert. Sprache wird zu einem Schlüsselphänomen im Zusammenhang von Gesellschaft und Wissen, sowie Struktur und Subjekt, denn sie ‚verwirklicht’ die Welt im doppelten Sinn. Sie macht objektive Strukturen begreifbar und erzeugt sie gleichzeitig.

In der folgenden Untersuchung soll geprüft werden, ob die NLS durch die Debatte und die zahlreichen Publikationen, die sich der Existenz oder auch Nicht-Existenz der NLS widmen, bereits zu einer sozialen Wirklichkeit geworden ist oder nicht.

Für die theoretische Herleitung der Entstehung des Zusammenhangs von Wissen und Wirklichkeit werden drei theoretische Positionen heran gezogen.

Zunächst wird auf die Theorie Ferdinand de Saussures (1857-1913) eingegangen, um die soziale Bedingtheit von Kommunikation aufzuzeigen. Daran anschließend wird mit Hilfe spezifischer Arbeiten Michel Foucaults (1926-1984) auf die Bedeutung der Diskurse als Erscheinungs- und Zirkulationsformen des Wissens hingewiesen. Anhand der kultursoziologischen Erkenntnisse von Pierre Bourdieu (1930-2002) wird schließlich die Bedeutung der Akteure und ihrer Macht in der Produktion von Diskursen, Kategorien und Wirklichkeit dargestellt.

Begriffe oder Kategorien wie z.B. Familie oder Geschlecht scheinen natürlich und selbstverständlich, sind aber eigentlich kollektive Vereinbarungen, die lediglich nicht mehr hinterfragt werden. Damit etwas Wirklichkeit wird, bedarf es der Akteure mit ihren jeweiligen Interessen, die über die Macht oder Legitimität zu sprechen verfügen, denn es ist nur einigen wenigen möglich Wissen zu etablieren. Diese Akteure lassen Dinge entstehen in dem sie über sie sprechen, sie abgrenzen und benennen.

Die Einteilung der Akteure in der vorliegenden Studie zur NLS orientiert sich an der Konzeptualisierung von Heine von Alemann, der einen zentralen, inneren Vermittlungsbereich bestehend aus Künstler, Galeristen und Sammlern, sowie drei weitere Bereiche charakterisiert. Diese setzen sich aus den professionellen Kunstexperten (Kunstkritiker, Kunsthistoriker, Ausstellungsmacher, Kunstvereinspersonal), den Institutionen (Kulturpolitik, Kunstvereine, Museen, Stiftungen/Förderer) und dem allgemeinem Publikum, d.h. der breiten Öffentlichkeit (Sponsoren/Mäzene, Geldanleger, Kunstinteressierte, Schaulustige) zusammen. Der Fokus dieser Diskursanalyse zur NLS liegt auf dem inneren Vermittlungsbereich und den professionellen Kunstexperten, da ihnen als Multiplikatoren ein besonderes Gewicht in der Kunstvermittlung zukommt.

Ziel der folgenden Untersuchung ist es, die jeweiligen Akteure der verschiedenen Bereiche ausfindig zu machen, welche sich an der Entstehung, Formung und Verwirklichung der Konstruktion der NLS beteiligt haben, bzw. diesem Prozess entgegenstanden. Deshalb werden hier deren Positionen in Bezug auf die Konstruktion einer NLS anhand von Veröffentlichungen im Zeitraum von 1997 bis 2006 herausgearbeitet.

Darüber hinaus sollen die Gemeinsamkeiten, welche den Akteuren jeweils für eine Konstruktion der NLS dienen, aufgezeigt werden. Hierzu wird der zeitliche Verlauf ihrer jeweiligen Stellungsnahmen genauer beobachtet, um so Veränderungen, die sich im Laufe der Zeit ergeben haben könnten, aufzudecken

Letztendlich soll die Frage beantwortet werden, ob sich bis zum Jahr 2006 ein allgemein gültiger Konsens, ein bestimmtes ‚Wissen’, welches mit dem Begriff der NLS verbunden wird, durchsetzen konnte.

Betrachtet werden hierfür Veröffentlichungen in Tageszeitungen, Fachzeitschriften, Ausstellungskatalogen und Fachbüchern, in denen sich die Akteure direkt oder indirekt zu Wort melden. Die Auswahl der Artikel und der weiteren Veröffentlichungen wird rein akteurzentriert[3] vorgenommen und umfasst somit nicht alle Veröffentlichungen in diesem Zeitraum, dafür allerdings die für die Beantwortung der Fragestellung relevanten Publikationen.

2 Theoretische Herleitung zur Diskursanalyse der Neuen Leipziger Schule

Auf die Verwendung des Diskursbegriffes in seiner Historizität soll lediglich in Hinblick auf seine Relevanz für diese Untersuchung eingegangen werden.

Die sprachliche Wurzel des Diskursbegriffs liegt nach Achim Landwehr (vgl. 2004: 67ff) im lateinischen Wort „discursus“, dessen ursprünglicher Bedeutung nicht mehr eindeutig zu klären ist. Ausgehend von dieser lateinischen Wurzel entwickelten sich verschiedene Begriffsverwendungen, denen jedoch die Akzentuierung der sozialen Dimension von Sprache gemein ist.

Von der Entfaltung des Diskurskonzepts im französischen Strukturalismus sowie seiner Weiterentwicklung im Poststrukturalismus, gingen laut Reiner Keller (vgl. 2005: 95ff) wichtige Impulse für die Diskursforschung in der nachfolgenden Zeit außerhalb der Linguistik aus. Insbesondere Michel Foucault entwickelte ein Diskurskonzept, welches sich unter gesellschaftstheoretischen, philosophischen und geschichtswissenschaftlichen Gesichtspunkten mit Diskursen als Erscheinungs- und Zirkulationsformen des Wissens beschäftigt.

Heute wird unter „Diskurs“ in den Geistes- und Sozialwissenschaften in der theoretischen Konzeptionalisierung sowie in der methodischen Umsetzung der jeweiligen Forschungsprojekte sehr unterschiedlich verstanden.

2.1 Theoretische Voraussetzungen für eine akteurzentrierte Diskursanalyse

2.1.1 Ferdinand de Saussure und die soziale Bedingtheit von Kommunikation

Die Theorien von Ferdinand de Saussures Sprachwissenschaft weisen darauf hin, dass die Verknüpfungen von Vorstellungen eines Gegenstandes mit ihrem Zeichen/Begriff nicht natürlich sind, sondern gesellschaftliche Vereinbarungen darstellen. Kommunikation bedarf der Konventionen hinsichtlich der Bedeutungen, wobei Sprache und Sprechen sich wechselseitig bedingen.

De Saussure erläutert, dass die Sprache, „langue“ (de Saussure 2001: 17) ein System von Zeichen ist, das sich historisch aus den konkreten Sprachhandlungen, „parole“ (ebd.), der Individuen einer Gesellschaft entwickelt hat und in dem die einzelnen Zeichen ihre Bedeutung durch die Stellung im Zeichensystem erhalten.

Das Band welches das Bezeichnete mit der Bezeichnung verknüpft ist, ist beliebig. […] das sprachliche Zeichen ist beliebig. (de Saussure 2001: 79)

Vielmehr beruht für ihn jedes in einer Gesellschaft verwendete Ausdrucksmittel auf einer Kollektivgewohnheit oder auf den Konventionen. Denn die Bezeichnungen sind hinsichtlich der Vorstellungen, die sie vertreten frei gewählt, nicht allerdings hinsichtlich der Sprachgemeinschaft. In diesen Gemeinschaften sind die Beziehungen, in den sie gebraucht werden, festgelegt.

Was aber ist die Sprache? Für uns fließt sie keineswegs mit der menschlichen Rede zusammen; sie ist nur ein bestimmter, allerdings wesentlicher Teil davon. Sie ist zu gleicher Zeit ein soziales Produkt der Fähigkeit zu menschlicher Rede und ein Ineinandergreifen notwendiger Konventionen, welche die soziale Körperschaft getroffen hat, um die Ausübung dieser Fähigkeit durch die Individuen zu ermöglichen. (de Saussure 2001: 11)

2.1.2 Michel Foucault und die Entstehung von „Wissen“

So wie in dem Konzept von de Saussure die Sprache dem Sprechakt zugrunde liegt und diesen erst ermöglicht, so legt Foucault laut Keller (vgl. Keller 2005: 101f) die Struktur des Erkennens den konkreten Erkenntnistätigkeiten und ihrer sprachlichen Fixierung in den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen zugrunde. Foucault dient im Anschluss an de Saussure die Sprache als Mittel zur Analyse von diskursiven Praktiken, welche den Schlüssel eines empirischen geschichtswissenschaftlichen Zugangs zu den gesellschaftlichen Transformationen der Wissensordnungen und zu den Regeln der diskursiven Phänomene bilden.

Foucault wendet sich gegen eine Geschichtsschreibung, welche Ereignisse als chronologische Prozesse einer Weiterentwicklung aneinander knüpft. Diesen linearen Abfolgen, den großen ununterbrochenen Einheiten, stellt er als Untersuchungsgegenstand gerade die Brüche, die Diskontinuitäten Schwelle, Einschnitt, Wechsel, Transformation gegenüber. Er postuliert die großen Einheiten und natürlich scheinenden Kategorien z.B. Epochen, Jahrhunderte, etc. zu hinterfragen und auf ihre Rechtfertigung hin zu prüfen.

Hat man sich erst mal von den traditionellen Kategorien verabschiedet, eröffnet sich ein immens großes Gebiet, welches aber definiert werden kann durch die Menge aller getroffenen Aussagen[4] („énonces“), gesprochen oder geschrieben. Sprache ist ein System für mögliche Aussagen mit einer endlichen Menge an Regeln und einer unendlichen Zahl an möglichen sprachlichen Realisierungen. Foucault (vgl. 1974: 77) gibt keine eindeutige Definition des Diskursbegriffs, sondern umschreibt ihn vielmehr. Diskurse sind für Foucault keine rhetorischen oder formalen Einheiten, deren historisches Erscheinen man irgendwie erklären könnte, sie sind auch keine zeitlose, ideale Form einer Geschichte. Der Diskursbegriff fragt noch den Produktionsbedingungen bestimmter Aussagen zu bestimmten Zeitpunkten und an bestimmten Stellen. Er beschreibt die Organisation und die Produktion von Wissen sowie die Rahmenbedingungen des Wissens.

Im Folgenden wird mit Diskurs, die Menge aller Aussagen zu einem spezifischen Thema, bezeichnet werden. Somit werden alle direkt oder indirekt auf den Gegenstand der NLS bezogenen Aussagen zum Diskurs der NLS gezählt.

Achim Landwehr (vgl. 2004: 84f) erläutert, dass nach Foucault ein Diskurs Macht voraussetzt, aber auch Machtbeziehungen produziert. Folglich bedingen sich Diskurs und Macht gegenseitig. Die Diskurse definieren Wahrheit und üben Macht aus, denn man kann zwar die Wahrheit sagen, aber befindet sich nur im Wahren wenn man die Regeln des Diskurses befolgt. Jede Gesellschaft erkennt bestimmte Diskurse als wahre Diskurse an, wodurch es ihnen überhaupt erst möglich wird wahre von falschen Aussagen zu trennen.

Foucault (vgl. 1974: 11ff) geht davon aus, dass die Produktion der Diskurse von den Gesellschaften kontrolliert, selektiert, organisiert und kanalisiert werden, durch bestimmte Prozeduren, welche die Aufgabe haben die Kräfte und die Gefahren des Diskurses zu bändigen. Diese Prozeduren dienen der Ausschließung, der Einschränkung und der Aneignung.

Für Foucault (vgl. 1995: 172ff) stellt der Diskurs eine symbolische Ordnung dar, die aus einer Menge von Aussagen eines gemeinsamen Formationssystems besteht. Die Frage, die Foucault mit Hilfe der Diskursanalyse zu beantworten versucht, ist wie v. a. aber warum eine bestimmte Aussage zu einem bestimmten Zeitpunkt gemacht wird.

Entscheidend für die folgende Analyse ist also, dass Michel Foucault aufzeigt, dass die Vorstellungen von Gegenständen ebenso gesellschaftliche Vereinbarungen sind wie die für die ihre Bezeichnungen verwendeten Begriffe. Wissensinhalte, Wahrheit und Wirklichkeit entstehen in Diskursen. Wobei die Diskurse somit Macht vermitteln und gleichzeitig Macht voraussetzen. Wahrheit ist nach Bublitz (vgl. Bublitz et al. 1999: 11) an Machttechniken und -wirkungen gebunden, da Diskurse Praktiken sind, die allgemein verbindliche Wahrheiten produzieren und so soziale Wirklichkeit konstituieren.

Auf das Thema der Untersuchung gewendet bedeutet dies: Der Diskurs spricht nicht nur von der NLS, sondern bildet sie erst heraus. Die daraus resultierende Forschungsfrage lautet demnach: Wer benutzt wann, wie und warum den Begriff NLS?

2.1.3 Pierre Bourdieu und die Bedeutung der Akteure

Psaphon, ein junger lydischer Hirte, hatte Vögel dazu abgerichtet, ihm nachzusprechen: ’Psaphon ist ein Gott.’ Als Psaphons Mitbürger die Vögel so schwätzen hörten, feierten sie ihn als einen Gott. (Bourdieu 1974: 102)

Pierre Bourdieu macht deutlich, dass Sprache die Macht besitzt Existenz zu verleihen. Wenn Gegenständen und der NLS durch Benennung Existenz verliehen werden kann, stellt sich in Anlehnung an Bourdieu die Frage wer es ist, der sie hervorbringt, und wie er dies erreicht. Die Fokussierung auf die Akteure, die das Wissen und die Wirklichkeit erschaffen, ist von großer Bedeutung für die folgende Untersuchung.

In seinen Theorien zur zeitgenössischen Gesellschaft beschäftigt sich Bourdieu auch mit Sprache und es lassen sich laut Landwehr (vgl. 2004: 89 ff) Parallelen zu dem Verhältnis Sprache und Gesellschaft in den Thesen Foucaults finden.

Bourdieu stützt sich neben Sprechakt-Theoretikern wie Noam Chomsky oder John L. Austin vor allem auf die Annahmen Ferdinand de Saussures über die sozialen Bedingungen der Kommunikation. Doch hat de Saussure nach Meinung von Bourdieu sein Konzept nicht in aller Konsequenz zu Ende gedacht. Denn die in allen Kommunikationssituationen implizit wirkenden Formen von Macht und Autorität werden von de Saussure nicht berücksichtigt.

Die ‚Realität’ ist in diesem Falle durch und durch sozial, und auch die ‚natürlichsten’ Klassifizierungen beruhen auf Merkmalen, die nichts weniger als natürlich sind, sondern größtenteils das Ergebnis willkürlicher Festlegungen, das heißt das Ergebnis eines früheren Standes der Machtverhältnisse im Feld der Auseinandersetzungen um die legitime Grenzziehung. Die Grenze, Ergebnis eines rechtlichen Grenzziehungsaktes, produziert den kulturellen Unterschied und ist zugleich sein Produkt. (Bourdieu 2005: 123)

Für Bourdieu (vgl. 2005: 10) ist die Wirksamkeit von performativen Äußerungen nicht von der Existenz einer Institution zu trennen, welche die Bedingungen vorgibt, die erfüllt sein müssen, und dem Sprecher die Autorität verleiht, den Akt auszuführen, den seine Äußerung performativ zu vollziehen behauptet. Dabei soll Institution als ein Ensemble von sozialen Beziehungen verstanden werden soll, welches den Individuen Macht, Status und Ressourcen verschiedener Art verleiht.

Im Gegensatz zu de Saussure, der sprachliche Vorgänge auf einen Akt des Zeichenaustauschs reduziert, betont Bourdieu laut Landwehr (vgl. 2004: 89 ff), dass Sozial- und Kommunikationsbeziehungen immer auch symbolische Machtbeziehungen sind, in denen sich Machtverhältnisse zwischen den Sprechern und Gruppen aktualisieren. Bourdieu sieht die gesellschaftliche Welt als ein mehrdimensionaler Raum, dem Unterscheidungs- und Verteilungsprinzipien zugrunde liegen und in dem die Akteure durch ihre Beziehungen zu anderen bestimmt sind. Aber erst durch diese Beziehungen wird der soziale Raum konstituiert. Folglich bedingen sich die Akteure und der soziale Raum gegenseitig. Die Welt stellt nach Bourdieu (vgl. 2005: 32) einen mehrdimensionalen Raum dar, der relativ autonome Felder unterteilt ist. Die soziale Stellung eines Akteurs definiert sich laut Frank Janning (vgl. 1991: 46) über seine Stellung innerhalb der einzelnen Felder, d.h. innerhalb der Verteilungsstruktur der in ihnen jeweils wirksamen Machtmitteln wie dem ökonomischen, kulturellen und sozialen sowie des symbolischen Kapitals.

Dabei nimmt das Habitus-Konzept von Bourdieu nach Landwehr (vgl. Landwehr 2002: 84) eine zentrale Stellung ein, denn der Habitus[5] ist die Vermittlungsinstanz zwischen den objektiven Strukturen und den Individuen/Akteuren. Sie stehen in einem reziproken Verhältnis, was bedeutet dass nicht nur die objektiven Ordnungen die subjektiven Dispositionen strukturieren, sondern dass auch Subjekte die Ordnungen beeinflussen. Laut Bourdieu geht es in den gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen eigentlich um Wahrnehmungsweisen und die Durchsetzung der legitimen Definition der Wirklichkeit (vgl. Landwehr 2004: 89 ff). Da es allerdings nie nur eine Person oder eine Gruppe ist, die über Definitionsmacht verfügt, entwickeln sich Kämpfe um die soziale Gliederung und die Definition von ‚Wirklichkeit’. Somit gibt es keine ‚wahre’, bzw. rein objektiv feststellbare Wahrheit oder Wirklichkeit, denn Wahrheit ist stets mit Interesse und Macht verknüpft.

Die Macht ermöglicht laut Landwehr (vgl. 2002: 83ff), Klassifizierungen oder Kategorisierung zu schaffen. Das bedeutet, dass Phänomene immer erst durch Benennung existent und sichtbar werden. Sie kann auch Gruppen wie z.B. die NLS entstehen lassen, indem sie eine bestimmte Wahrnehmung von dieser Gruppe erzeugt. Bourdieu (Bourdieu/ Wacquant 1996: 183) erläutert, dass symbolische Macht das Gegebene konstituiert indem es ausgesprochen wird. Der Glaube an die Legitimität der Wörter und Personen, die sie aussprechen wird durch ein bestimmtes Machtverhältnis erschaffen. In dem Maß wie dieses Machtverhältnis von den Beteiligten akzeptiert wird, wirkt die Macht auf sie.

Bourdieu versucht laut Landwehr (vgl. Landwehr 2002: 89) hierbei herauszufinden, wie ein bestimmtes Wissen von welchen Akteuren hervorgebracht wird und in einem nächsten Schritt wie dieses Wissen in einem bestimmten Bereich der sozialen Wirklichkeit beschaffen ist.

Im Anschluss an Bourdieu hat diese Untersuchung auch nicht das Ziel eine ‚Geschichte’ der NLS zu rekonstruieren, sondern die Geschichte des Wissens über die NLS und die das Wissen konstruierende Akteure zu erforschen.

Etwas Gesagtes mit dem Akt des Sprechens herbeizuführen darin sieht Bourdieu (vgl. 2005: 124ff) einem performativen Diskurs. Durch Benennung Existenz zu verleihen gelingt allerdings nur, wenn derjenige Akteur, der dies zu vollziehen versucht, die Macht besitzt eine neue Vorstellung (Vision) oder Gliederung (Di-Vision) der sozialen Welt, d.h. eine neue Grenze, festzusetzen. Folglich hängt die Wirkung des performativen Diskurses zum einen von der Autorität des Sprechers ab, zum anderen bedarf es aber noch einer Grundlage in der Objektivität der sozialen Gruppe, die damit ihre Identität erhalten soll. Denn Existenz bedeutet nach Bourdieu Kenntlichkeit und Anerkennung, welche durch Objektivierung erfolgt. Es geht immer um die Durchsetzung von Wahrnehmungen und Wahrnehmungskategorien. Die offizielle Anerkennung vollendet sich in ihrer öffentlichen Manifestation, in der die geschaffene Gruppe sich und den anderen sichtbar wird und ihre Existenz mit Anspruch auf Institutionalisierung beweist.

Wenn es um die soziale Welt geht, schaffen die Wörter die Dinge, denn sie schaffen den Konsens über die Existenz und den Sinn der Dinge. (Landwehr 2004: 94)

Wenn es keine ‚wahre’ Wahrheit gibt, stellt sich auch die Frage nach der ‚wahren’ Existenz einer NLS nicht mehr. Vielmehr gilt es im Anschluss an Bourdieu zu klären, wer versucht auf welche Weise die NLS als eine Kategorie der kollektiven Realität durchzusetzen, bzw. dies zu verhindern.

2.2 Die akteurzentrierte Diskursanalyse im Anschluss an
Bourdieu

Zu einer Diskursanalyse gehört nach Bourdieu (vgl. 2005: 31f) immer eine Analyse des jeweiligen Feldes, um den Bezug der Äußerungen zur Beschaffenheit des Feldes, sowie das Verhältnis zwischen dem Feld und dem Raum der sozialen Positionen und Prozesse allgemein herstellen zu können. Eine Diskursanalyse bedarf als Grundlage einer systematischen Rekonstruktion des Felds, in dem der Diskurs produziert und rezipiert wird. Für den NLS-Diskurs gilt es folglich das kulturelle Feld, mit all seinen eigenen Organisationen, Produktions- und Rezeptionsschemata und das Verhältnis des kulturellen zum sozialen Feld zu betrachten.

Im Folgenden werden somit zunächst das Verhältnis des kulturellen Feldes zum sozialen Feld und daran anschließend das kulturelle Feld an sich herausgearbeitet.

2.2.1 Verhältnis des kulturellen zum sozialen Feld

Die soziale Welt sieht Bourdieu (vgl. 2005: 32) als einen mehrdimensionalen Raum an, der in relativ autonome Felder unterteilt ist. In diesen Feldern werden die Positionen von Individuen je nach Menge des Besitzes von verschiedenen Arten von Kapital besetzt. Die Macht eines Akteurs oder Individuums ist folglich von der Verfügbarkeit über die in einem spezifischen Feld wirksamen Kapitalsorte[6] abhängig. Folglich definieren und differenzieren sich die spezifischen Felder durch die jeweiligen Kapitalsorten sowie den dazu gehörenden Regeln und Auseinandersetzungen. Feld und Kapital definieren sich also wechselseitig.

Als Beispiele für Teilfelder führt Markus Schwingel (vgl. 1993: 78f) das intellektuelle, das universitäre, das soziologische, das künstlerische, das Feld des Sports, der Mode, der Literatur, der Comics und der Philosophie an. Diese Teilfelder haben ihre spezifischen Einsätze, Regeln und Profitmöglichkeiten, d.h. ihre eigene Logik. Jedes Feld, auch das soziale Feld, weißt nach Bourdieu (vgl. 2005: 18f) eine bipolare Struktur auf, welche die Akteure oder Gruppen von Akteure in Beherrschte und Beherrschende trennt. Doch gibt es zwischen den Feldern auch einen Zusammenhang, denn die Stellung der Akteure in einem Teilfeld determiniert die Stellung im, sie alle umfassenden, sozialen Feld. Dieses soziale Feld stellt das Feld der Felder da, in ihm wirken sich alle feldspezifischen Kämpfe aus. Deshalb ist eine genaue Rekonstruktion der Felder und der Verbindungen zwischen den Positionen und den handelnden Personen in diesen Feldern nötig.

Auch wenn laut Bourdieu (vgl. 2005: 18f) die einzelnen Felder jeweils charakteristische Eigenschaften, Praktiken, Formen von Kapital, Profit, etc. haben, so können sie doch in ihrer Logik übereinstimmen. Sie sind in gewisser Weise alle ökonomisch, d.h. sie richten sich nach der Vermehrung irgendeines Kapitals oder der Maximierung irgendeines Profits. Das Handeln der Akteure ist stets ein Produkt aus den jeweiligen bewussten sowie unbewussten Interessen und dem Habitus, also den unbewussten Prädispositionen.

Eine Gesellschaft besteht fast immer aus einer Pluralität von sozialen Mächten, die meist in Konkurrenz zu einander stehen, die manchmal allerdings auch ihre Kräfte vereinen. Dank ihrer politischen oder ökonomischen Machtstellung sowie ihrer institutionellen Garantien sind die sozialen Mächte in der Lage bestimmten Bereichen des kulturellen Kräftefeldes, je nach dem wie weit ihr Einfluss reicht, ihre kulturellen Normen aufzupflanzen (vgl. Bourdieu 1974: 100ff). Die Künstler, Schriftsteller oder allgemein: die Intellektuellen, bilden eine beherrschte Fraktion der herrschenden Klasse. Im Kapitel 3.1.2 über die Akteursgruppe der Galeristen wird zum Beispiel gezeigt werden, dass diese die Deutungshoheit von den Künstlern übernommen haben. Einerseits sind die Künstler und Intellektuellen laut Bourdieu (vgl. 2005: 160) Inhaber von Macht und Privilegien durch den Besitz von kulturellem Kapital und einige von ihnen verfügen über so viel kulturelles Kapital, dass sie damit auch Macht über das kulturelle Kapital ausüben können, d. h. bestimmten Bereichen kulturelle Normen auf pflanzen können und somit Herrschende sind. Andererseits sind sie gegenüber den Inhabern der politischen und ökonomischen Macht stets doch nur Beherrschte. Dies vollzieht sich durch eine strukturelle Herrschaft, die sich über sehr allgemeine Mechanismen, wie die des Marktes, vollzieht. Bourdieu (vgl. Bourdieu/ Wacquant 1996: 136) charakterisiert somit das kulturelle Feld als im Feld der Macht eingeschlossen und dort in der Position des Beherrschten verhaftet.

2.2.2 Das kulturelle Feld und seine Akteure

Im Bezug auf den Gegenstand NLS soll nun das kulturelle Feld sowie insbesondere das Teilfeld der bildenden Kunst betrachtet werden.

Bourdieu beschreibt das kulturelle Feld als ein horizontal und vertikal differenziertes System, dessen Struktur ein Resultat der Status- und Positionskämpfe ist, bei denen es stets im Kampf um kulturelle Legitimierung geht. Kulturelle Legitimität (vgl. Gerhards/Anheier 1997: 125f) entsteht dadurch, dass jedes Individuum gewollt oder ungewollt, eingestandenen oder uneingestandenen, seine Platzierung im System stets hinnimmt. Anhand dieser kann sein Verhalten beurteilt und sein Rang klassifiziert werden.

Jeder soziale Akteur gründet laut Bourdieu (vgl. 1974: 105f) die Vorstellung über seine Bedeutung und der seines Werkes auf Vorstellung der anderen sozialen Bezugspunkte, d.h. der Konkurrenten, Vermittler, etc., und auf der Vorstellung der Vorstellung der Anderen über ihn. Bourdieu (vgl. 1974: 94f) sieht in der Objektivierung, welche durch die Kritiker geschieht, eine maßgebende Rolle für die Definition und Entwicklung der Auffassung des Künstlers und seines Werkes. Erst durch das System gesellschaftlicher Beziehungen im kulturellen Feld, d.h. zu anderen Künstlern, Kritikern, Vermittlern wie Galeristen und Journalisten realisiert sich die fortschreitende Objektivierung der künstlerischen Intention und bildet sich somit auch die öffentliche Bedeutung des Künstlers und seines Werkes heraus. Gleichzeitig zwingt diese öffentliche Bedeutung den Künstler sein Verhältnis zu ihr zu klären und definiert ihn darüber.

Diskurse über die soziale Welt und die NLS werden nicht nur durch die Wörter selbst oder die Position des Sprechers beeinflusst, sondern vielmehr durch die Subjekte oder auch sozialen Gruppen, die sprechen oder anders in den Diskurs eintauchen. Die Herrschaftsbeziehungen sind laut Landwehr (vgl. 2004: 97) stets eingelagert in der Auseinandersetzung um eine Benennung, wodurch es zu unterschiedlichen Gewichtungen innerhalb der Auseinandersetzung kommt. Es gibt einerseits Akteure, die sich mittels institutioneller oder gesellschaftlicher Position autorisiert zum Sachverhalt äußern können und in dieser Position auch allgemein anerkannt sind. Im Falle der NLS sind dies beispielsweise die Akteure Hans-Werner Schmidt, der Direktor des Museums der bildenden Künste Leipzig, oder Claus Baumann, der Kurator der Kunsthalle der Sparkasse Leipzig. Andererseits gibt es auch Akteure, die durch mangelnde Autorität normalerweise nicht durchdringen.

Will man der Entstehung dieser öffentlichen Bedeutung einmal nachgehen, so hat man konkret nachzufragen, wer hier beurteilt und auswählt bzw. wie diese Auslese sich vollzieht, die aus dem zunächst ungeschiedenen und unbegrenzten Chaos der produzierten und publizierten Werken diejenigen kürt, die es wert sind, geschätzt und bewundert, erhalten und prämiert zu werden. (Bourdieu 1974: 95)

„Symbolische Macht ist die Macht, Dinge mit Wörtern zu schaffen“ (Bourdieu 1992: 153). Dabei ist die Fähigkeit der Unterscheidung, Klassifizierung und Differenzierung nach Landwehr (vgl. 2004: 95) besonders wichtig, da etwas nur entstehen und wahrgenommen werden kann, indem es von anderem abgegrenzt und als existierend konstruiert wird. Es bedarf aber auch einer symbolischen Autorität, dem Verweis auf die gesellschaftlich anerkannte Macht, um eine bestimmte Vorstellung von der sozialen Welt und ihre Gliederung durchzusetzen.

Als Beispiel für eine solche gesellschaftlich entstandene Differenzierung nennt Bourdieu (vgl. 1974: 99) die Schule das ‚Nouveau Romans’, die ihre Identität auch der Gesellschaft verdankt. Ursprünglich hatten die Kritiker diese Bezeichnung als verächtliches Etikett eingeführt, wodurch das Publikum schließlich diese Gruppe als solche wahrnahm. Das Publikum, die Kunst- und Kulturinteressierten in diesem Fall, müssen einer solchen Differenzierung zustimmen, damit sie sich zur kollektiven Wirklichkeit entwickelt.

Diesem Sachverhalt sehr ähnlich verhält es sich mit der NLS. Auch wenn nicht eindeutig zu klären ist, wer den Begriff aufgebracht hat, wurde die NLS von sozialen Akteuren oder Akteursgruppen geschaffen um die Künstler von anderen abzugrenzen, sie als Gruppe zu identifizieren, von anderen zu differenzieren und herauszustellen.

Diese Herausstellung als eine Gruppe, bzw. Schule, scheint in der aktuellen Situation noch wichtiger geworden zu sein, wie Heine von Alemann (vgl. 1997: 211ff) darlegt. Die Ausfächerung und Pluralisierung des Kunstmarktes lässt von Alemann vermuten, dass es schwieriger wird Kunstrichtungen gesellschaftlich sichtbar zu machen. Um eine gesellschaftliche Sichtbarkeit zu erreichen bedarf es ihrer Meinung nach einer gesellschaftlichen Fokussierung der Aufmerksamkeit. Sichtbarkeit steuert auch die Reputation und beides gemeinsam stimuliert die Nachfrage nach Kunst somit auch den jeweiligen Preise eines Kunstwerkes.

Als Akteursgruppen des kulturellen Feldes nennt Bourdieu die Künstler, die Kritiker und die Vermittler, welche im Falle der bildenden Kunst die Galeristen und Kuratoren sind. Dieser Klassifizierung der sozialen Akteure[7] oder Akteursgruppen der Bildenden Kunst schließt sich z.B. Raymonde Moulin (vgl. 1987: 35) mit der Einteilung in Kunsthändler/ Galeristen, Kunstkritiker, Sammler und Künstler an. Adam Lindemann (vgl. 2006: 5) hingegen nennt abgesehen von den Künstlern, Kunstkritikern und Galeristen noch die Kunstberater, die Sammler, die Auktionsexperten und das Museumspersonal[8].

Der Autor Heine von Alemann (vgl. 1997: 219f) versucht die verschiedenen Akteursgruppen des Kunstmarktes zu erfassen und in institutionelle Bereiche einzuteilen. Wobei die Akteursgruppen in unterschiedlicher Weise mit Definitionsmacht für Stilzuschreibungs- und Reputationszuweisungsprozesse ausgestattet sind. Er charakterisiert einen zentralen, inneren Vermittlungsbereich, welcher aus Künstlern, Galeristen (neben ihnen auch Kunstagenten und -berater) und Sammlern (denn Sammler sichern als Kunstkäufer inzwischen die Existenz der Künstler) besteht. Außerdem nennt er noch drei weitere Bereiche: erstens die professionellen Kunstexperten (Kunstkritiker, Kunsthistoriker, Ausstellungsmacher, Kunstvereinspersonal) – welche als Multiplikatoren besonders wichtig für die Kunstvermittlung sind, zweitens die Institutionen (Kulturpolitik, Kunstvereine, Museen, Stiftungen/Förderer) und drittens das Allgemeine Publikum/breite Öffentlichkeit (Sponsoren/Mäzene, Geldanleger, Kunstinteressierte, Schaulustige).

Für die Untersuchung wird die Einteilung der Akteure von Heine von Alemann übernommen, da hier der Heterogenität der Akteure des NLS-Diskurses Rechnung getragen wird.

Außerdem werden in der folgenden Analyse auch vorrangig die Positionen des inneren Vermittlungsbereichs sowie die der professionellen Kunstexperten Beachtung finden, da diese besonders bedeutsam für die Meinungsbildung sind wie von Alemann und Bourdieu herausstellen. Dieser Bereich wird für die Analyse in zwei Untergruppen geteilt, in die professionellen Kunstkritiker und in die professionellen Kunstexperten, um die Verschiedenheit der beiden Akteursgruppen aufweisen zu können.

2.2.3 Die Analyse des NLS-Diskurses

Mit den in den vorherigen Abschnitten gewonnenen Erkenntnissen zur Theorie der Diskursanalyse wird in der folgenden Untersuchung versucht die sozialen Akteure aufzuzeigen, die sich in Bezug auf die Identitätsbildung der NLS zu Wort gemeldet haben und gehört wurden, um dank ihrer anerkannten Macht und Deutungshoheit diese Gruppenidentität mitzuformen. Ebenso sollen ihre jeweils dabei eingenommenen Positionen und Argumentationen für oder gegen ein Bestehen einer NLS herausgearbeitet werden. Die Einteilung der Akteure in Gruppen wird dabei, wie bereits erwähnt, wie folgt vorgenommen: 1. Künstler, 2. Galeristen und 3. Sammler, sowie 4. professionelle Kunstkritiker und 5. professionelle Kunstexperten. Die Behandlung der weiteren Akteursgruppen, der Institutionen und des Kunstpublikums, würde den Rahmen der Arbeit sprengen.

Da nach Bourdieu Abgrenzung wichtig für die Bildung einer Existenz ist, versucht diese Analyse die Differenzierungen der Akteure der NLS von anderen Künstlern und Künstlergruppen herauszuarbeiten. Deshalb wird in der Untersuchung ein Raster auf die Darstellungen der NLS von den einzelnen Akteuren angelegt. Der Begriff, die darunter gefassten Künstler sowie die angegebenen Gemeinsamkeiten und Verbindungen der NLS-Künstler sollen so gegenübergestellt werden können.

Um diese verschiedenen Positionen und die eventuelle Veränderung im zeitlichen Verlauf aufzuzeigen, werden in der folgenden Untersuchung Artikel[9] aus Kunstfachzeitschriften[10], Zeitungen[11], Magazinen[12] und zahlreichen Ausstellungskatalogen analysiert.

Die Auswahl der Artikel erfolgt nach vier Kriterien. Erstens erfolg die Auswahl akteurzentriert, d.h. es werden die Artikel und Veröffentlichungen einbezogen, welche die Positionen der einzelnen Akteure und ihre jeweiligen Versuche, die Kategorie NLS mittels bestimmter Kriterien zu spezifizieren und herauszustellen, auch abbilden.

Zweitens werden die Veröffentlichungen miteinbezogen, welche oft von anderen Publizisten zitiert und in weiteren Interviews oder Artikel wieder aufgegriffenen betrachtet werden, um so zu gewährleisten, dass die besonders ausschlaggebenden Publikationen vertreten sind.

Drittens werden die auflagenstärkste Kunstfachzeitschrift in Europa, das ART[13] Magazin, einige der meinungsbildenden Tageszeitungen Deutschlands (Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung) und der Vereinigten Staaten (The New York Times) sowie die Leipziger Volkszeitung als Tageszeitung vor Ort in Leipzig und die Kataloge zentraler Ausstellungen berücksichtigt.

Das vierte und letzte Kriterium ist der zeitliche Rahmen, innerhalb dessen die Veröffentlichungen zur NLS untersucht werden. Für die Analyse wird der Untersuchungszeitraum 1997-2006 gewählt, da dieser die wesentliche Entwicklung der Diskussion um die NLS umfasst. Für die Geburtstunde der NLS werden meist die beiden folgenden Ereignisse genannt. Zum einen der 1997 Neo Rauch verliehen LVZ-Kunstpreis und die damit verbundene Einzelausstellung sowie zum anderen die Ausstellung „sieben mal malerei“ 2003 mit Tim Eitel, Matthias Weischer, Tilo Baumgärtel, David Schnell, Christoph Ruckhäberle, Martin Kobe und Peter Busch - beide im Museum der bildenden Künste Leipzig[14]. Mit der Wahl des Jahres 1997 als Anfangspunkt für die Untersuchung, ist die Abbildung der gesamten Entwicklung der verschiedenen Positionen der Akteure gewährleistet.

Folglich werden nicht alle Veröffentlichungen, die das Thema behandeln, miteinbezogen werden. Diese Beschränkung ergibt sich aus praktischen Erwägungen zu Umfang und zeitlichen Rahmen einer Magisterarbeit.

3 Diskursanalyse - Die Neue Leipziger Schule

3.1 Die Akteure und ihre Positionen im zeitlichen Verlauf von 1997 bis 2006

Paul Kaiser[15] kommentiert in einem Interview mit der Kuntsfachzeitschrift Kunstforum International seine Einordnung der Akteure innerhalb der Konstruktion der NLS. Seine Äußerungen werden in den folgenden Absätzen vorgestellt und sollen der Analyse der einzelnen Akteure vorweg geschickt werden, um einen Einstieg in das Beziehungsgeflecht der NLS zu bieten.

Leipzig wurde laut Kaiser in der DDR zu „einer radikal entbürgerlichten Bürgerstadt“ (Jocks, Heinz-Norbert Kunstforum international 07/08.2005:149), was in seinen Nachwirkungen bis heute zu erkennen ist. So reicht laut Kaiser die „proletarische Grundierung bis in die Sphären der Hochkultur“ (ebd.) und es gibt keine „etablierte Diskursgemeinschaften […], die sowohl entschleunigend als auch korrigierend in diesem Pragmatismus der schnellen Tat eingreifen“ (ebd.). Zusammenfassend formuliert fehlt Leipzig nach Kaiser eine „kritische Öffentlichkeit“ (S.149), was zu einem „nicht durch reellen Vergleich getrübten Standortstolz sowie der Ausrufung der Provinz zum Weltnabel“ (ebd.) führt, die „selbst von klugen Geistern wie ein Marketingwimpel vor sich her getragen“ (S.149) werden.

Die hoffnungsvolle Stimmung ist hier – und das ist ein Sonderfall in den neuen Ländern – jedenfalls besser als die tatsächliche Lage. Das gilt, wenn man so will, auch für die Künste und derzeit insbesondere für die Malerei. (Jocks, Heinz-Norbert Kunstforum international 07/08.2005: 149)

Sich in Leipzig diesem „Sog zum affirmativen Bekenntnis zu entziehen“ (ebd.), stellt Kaiser als fast unmöglich dar, ohne sich dabei auch ökonomisch ins Abseits zu manövrieren.
Er bezeichnet dies als einen „Gruppendruck zur guten Laune“ (ebd.). Durch den „Sog des Erfolges“ (ebd.) entstand laut Kaiser in Leipzig „ein städtisches Mikroklima, in dem Kritik, Distanz und fordernder Bezug nicht mehr möglich scheinen“ (Jocks, Heinz-Norbert Kunstforum International 07/08.2005: 149).

Daraufhin führt er einen der relevanten Akteure Hans-Werner Schmidt, den Leiter des Museums für bildende Künste in Leipzig, als Beispiel an, da dieser „mit der im damaligen Interimsquartier organisierten Ausstellung ‚sieben mal malerei’ 2003 erstmals die Post-Neo Rauch-Fraktion museal auf[wertete]“ (ebd.). Ein weiteren Hinweis stellt für Kaiser dar, dass Schmidt „als Laudator‚ sozusagen als mitreisender Qualitätsgarant“ (ebd.) mit einigen Künstlern der ‚Neuen Leipziger Schule’ zur Eröffnung der Gruppenausstellung „Cold Hearts“ 2005 nach Seoul mitreiste. Dies zeige, dass die „distanzlose Selbstfeier über die Tugend intellektueller Skepsis triumphiert“ (ebd.) hat und das „Museum seinen Status als Instanz“ (ebd.) aufgegeben habe.

Das zweite Beispiel Kaisers stellt die Leipziger Volkszeitung, die „Monopolgazette Leipzigs“ (ebd.), dar. Sie besitzt nach Angaben von Kaiser die größte Sammlung an Werken von Rauch neben der Deutschen Bank. Diese Sammlung wurde 2005 in Honolulu ausgestellt und „in der eigenen Berichterstattung wertsteigernd zum erstrangigen Kunstevent hochgeschrieben“ (ebd.).

Protagonisten in Hinsicht auf die Entstehung einer NLS stellen nach Meinung von Kaiser (S.151ff) die Akteure Arno Rink, Neo Rauch und Gerd Harry Lybke dar.

Rink spricht Kaiser eine besondere Rolle zu, da fast alle der Künstler, die „heute zur ‚Neuen Leipziger Schule’ gerechnet werden“ (S.151) seine Fach- und Meisterklasse besucht haben und er für „eine Bestandsgarantie der Malerei“ (S.151) an der Hochschule für Grafik und Buchkunst[16] gesorgt hatte. Dies geschah nicht etwa aufgrund Rinks taktischer Schläue, sondern Kaiser nennt es eine „Beharrungskraft aus Schwäche, die wohl den entscheidenden Punkt für den neuerlichen Aufstieg der Malerei darstellte“ (ebd.). Er schreibt der Entstehung der NLS eine Entwicklung der Leipziger Schule vor, welche Ende der achtziger Jahre nicht nur in der DDR sondern auch im Westen für ihre Malerei geschätzt worden war. Es kam in Leipzig zu dem Sonderfall einer „personellen Kontinuität der Lehre“ (ebd.) an der Kunsthochschule, was in anderen Städten wie Dresden unterbunden worden war. So „wurden die Wurzeln zu ‚Leipziger Schule’ nicht gekappt“ (ebd.) und die fundierte handwerkliche Ausbildung an der HGB blieb erhalten.

Neo Rauch beschreibt er einerseits als starken Charakter, der schon als Assistent von Rink mehr als ein „Sancho Panza“ (ebd.) war, andererseits aber auch dass seine Entwicklung zu seiner eigenständigen Position hin, ohne die besondere Konstellation an der HGB in den wichtigen, früher neunziger Jahren, anders verlaufen wäre, denn „Rink ertrotzte Freiräume, die Rauch ausfüllte“ (ebd.). Kaiser (vgl. S.153) erscheint es zweifellos der Verdienst Neo Rauchs zu sein, dass die Lehre der Malerei an der HGB in den frühen neunziger Jahre an verbindlichen Kriterien orientiert war. Diese gelten heute als das, was typisch für die NLS erachtet wird: „handwerkliche, vor allem zeichnerische Solidität, erkennbare Sujets, surreale Polyvalenzen“ (ebd.) und „die Lust am Eigenmarketing, sowie an der Übernahme einer Künstlerrolle, die mit den Regularien von Tübke & Co durchaus Parallelen aufweist, etwa in der Betonung eines fast schon überregulierten, abgeschotteten Arbeitsablaufs. Ganz ohne jeden Eskapismus“ (ebd.).

Folglich zählt Kaiser Rauch auch nicht zu der NLS oder sondern eher zur Leipziger Schule, wo er statt als „Frontmann einer nachrückenden Generation“ (ebd) als „singulärer Nachfolger der Großen“ (ebd.) einzuordnen ist.

Er befindet, dass von der NLS noch nicht feststeht, ob „sie neben einem Marketinglabel auch das Zeug zu einem historischen Begriff hat“ (ebd.). Es ginge auch nach Kaiser nicht, dass „jede Lifestyle-Gruppierung, jede Absolventenriege ihn [den Generationenbegriff] zum Alleinstellungsbeweis missbraucht“ (ebd.). Im Hinblick auf Gemeinsamkeiten der NLS erwähnt er, dass sie alle nach 1970 geboren sind, wodurch sie in einer „bilderreichen, aber ereignisarmen Zeit“ (ebd.) ohne prägende biografische Zäsuren aufgewachsen sind und leben und führt er andere Autoren an wie Max Holleins, der eine „‚neue Romantik’“ (ebd.) ausmacht, oder Niklas Maak, der eine „Abwesenheit des Aktionalen“ (ebd.) erkennt. Doch spricht er den beiden formulierten Gemeinsamkeiten ihre Gültigkeit bedingt wieder ab, da sie zwar als „spannende Perspektiven für Segmente“ (ebd.) darstellen, die Positionen der jungen Künstler aber trotzdem viel zu polymorph sein.

Bezugnahmen auf die Kunst der Leipziger Schule sieht er beispielsweise im Bezugnahmen auf die Kunst der Leipziger Schule sieht er im Motiv des Ikarus bei Weischer zum Werk von Mattheuer, sowie Anknüpfungen an Uwe Pfeifer und Dietrich Burger. Allen voran beziehen sich die jungen Künstler aber auf die Position Neo Rauchs, welches „als Ausgangspunkt und leider eben auch als Fundus“ (Jocks, Heinz-Norbert Kunstforum International 07/08.2005: 155) dient.

Die Galerie Eigen+Art stellt für Kaiser „die Plattform des Aufstiegs der ‚Neuen Leipziger Schule’ dar“ (S.151). Gerd Harry Lybke konnte seiner Meinung nach lange davon profitieren unterschätzt zu werden. Er zelebrierte diese Haltung lange und stilisierte seinen Werdegang vom Aktmodell hin zum Großgaleristen zu einer „ostdeutsche[n] Selfmademan-Story“ (S.154). Schon vor dem Fall der Mauer hatte er hervorragende Kontakte zum westlichen Kunstbetrieb aufgebaut und besaß so schließlich „neben seiner mentalen Alleinstellung, die ihn in Ost und West zum Gegenbild des Jammer-Ossi machten, über einen erheblichen Gestaltungsvorsprung, als die Mauer wirklich fiel“ (S.155). Daraufhin habe Lybke einfach weiter alles richtig gemacht, bis hin zum „jüngsten Glücksfall“ (ebd.), dass der Erfolg Rauchs ihm auch den Zugang zu den jungen Künstlern einbrachte und er sich von den Künstlern der Produzentengalerie LIGA mit Eitel, Schnell und Weischer die „avanciertesten Künstler“ (ebd.) heraussuchen konnte. Ob die Taktik „möglichst viele Beiboote an seinen Kunsttanker zu binden“ (ebd.) aufgeht, bleibt nach Meinung von Kaiser abzuwarten. Das Galerienprojekt der Baumwollspinnerei bezeichnet Kaiser jedenfalls als sympathischen „Einbruch des Größenwahns“ (ebd.).

Ihren raschen Aufstieg verdanken die Künstler der NLS, laut Kaiser (S.153), zum einen der professionellen Organisation einer temporären Produzentengalerie mit Christian Ehrentraut als Galerist, der eine Verkörperung von sowohl personeller als auch institutioneller Nähe zur Eigen+Art. Zum anderen liegt ihr Erfolg einem bestimmten Verständnis von Kunst und Künstlertum zugrunde - einer den Kunstmarkt affirmativ zugewandten Ästhetik, wie dies auch der Leipziger Schule als Paradigma galt.

Zwar wehren sich die NLS-Künstler und ihre Vermarkter „jetzt wo das Plateau erklommen“ (S.155) ist gegen den Begriff NLS - „die Spannung zwischen Kollektivwahrnehmung und der auf radikalen Individualismus zielenden Künstlerrolle ist nur wenige Jahre harmonisierbar“ (ebd.) - wohingegen sich die Künstler doch so lange im Verbund präsentierten wie es ihrem Erfolg nützlich war. Als Beispiel führt er hierfür die Ausstellung „Clara Park“ an. Zweifelhaft bleibt für Kaiser (ebd.) allerdings, ob die Auflösung der Gruppe in Einzelpositionen möglich ist, da die, auf der Verbindung zwischen der NLS und der HGB ruhende, „Fremdwahrnehmung“ (ebd.) zu stark sein könnte. Dies stellt jedoch wiederum eine Verbindung zur Leipziger Schule her, da Heisig, Mattheuer und Tübke sich zu ihrer Zeit ebenfalls gegen einen Gruppenbegriff wandten.

[...]


[1] Wird im Folgenden mit NLS abgekürzt.

[2] Siehe hierzu v. a. den Aufsatz von Henry Schumann „Leitbild Leipzig“ in: „Kunstdokumentation SBZ/DDR. 1945-1990“ (1996). Schumann erläutert sehr deutlich die Argumente für und gegen die Konstituierung einer Leipziger Schule. Siehe auch: Gillen, Eckhart (1990): Bilderstreit im Sonnenstaat. In: Gillen, Eckhart; Haarmann, Rainer (Hg.): Kunst in der DDR. Künstler, Galerien, Museen, Kulturpolitik, Adressen. Köln: Kiepenheuer & Witsch, S. 18–27 und Kapitel 3.1.1.

[3] Die Akteure, die als besonders ausschlaggebend für die Herausbildung der NLS scheinen, da sie von den verschiedenen Museen oder Medien als kompetent eingeschätzt und für die Beurteilung der NLS herangezogen werden, sind die Künstler Arno Rink, Sighard Gille, Neo Rauch, Matthias Weischer und Tim Eitel, der Galerist Gerd Harry Lybke, die Sammler Karl-Heinz Essl, Mera und Don Rubell, die Kunstkritiker der Leipziger Volkszeitung, der New York Times und der deutschen Kunstfachzeitschriften sowie die Kunstexperten Claus Baumann und Hans-Werner Schmidt.

[4] Foucault nennt keine feste Definition von Aussagen, allerdings sind sie nach Foucault abzugrenzen von Äußerungen, bei denen es sich um einmalige Ereignisse handelt. Aussagen hingegen kennzeichnen sich dadurch, dass sie regelmäßig wieder auftauchen und dass sie in bestimmte Zusammenhänge, die soziale und institutionale Umgebung und die diskursiven Strategien eingebettet sind (vgl. Landwehr 2004: 75ff).

[5] Der Habitus ist nach Landwehr (vgl. 2004: 89ff) der Ort dauerhafter, verinnerlichter Dispositionen. „Während der Habitus ein Ensemble historischer Relationen darstellt, die sich in Gestalt der geistigen und körperlichen Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Handlungsschemata in den individuellen Körpern niedergeschlagen haben“ (Bourdieu/ Wacquant 1996: 36f). „Der Habitus ist die sozialisierte Subjektivität“ (S.159).

[6] „Ökonomisches Kapital kann die Form des reinen Vermögensbestandes in investierter oder frei verfügbarer Gestalt, in Geldmitteln oder Produktionsmitteln annehmen, lässt sich natürlich an der Höhe des Einkommens ablesen und wirkt in dargestellter Ausprägung als spezifisches Konsumverhalten. Kulturelles Kapital wird in drei Spezifikationsformen wirksam: 1. als inkorporiertes, erworbenes und dauerhaftes Bildungsguthaben, as als sprachlicher und inhaltlicher Einsatz in beliebige Kommunikationssituationen überführt werden kann; 2. in objektiver Form als mehr oder weniger kultivierte Umgebung von Büchern, Zeitschriften, Kunstgegenständen und durch den Umgang mit den Institutionen der Kulturvermittlung (Theater, Galerie etc.) und 3. als institutionalisiertes Guthaben in Form von Anerkennung und Prestige zuweisenden Bildungstiteln und ähnlich legitimen Nachweisen formaler Bildung. Der Begriff des sozialen Kapitals meint die herkunftsgemäßen und durch familiären Umgang gepflegten Sozialkontakte, deren Umfang und Tiefe das berufliche Fortkommen erleichtern können, z.B. als sogenannte ‚Beziehungen’, die sich vom väterlichen bzw. elterlichen beruflichen Ansehen auf die Nachkommen übertragen. Im symbolischen Kapital setzt sich schließlich die Fähigkeit um, die jeweiligen Kapitalerträge, Handlungspotentiale und demonstrative Zurschaustellung der vorhandenen Kompetenzen und finanziellen Möglichkeiten zu einem distinktiven Lebensstil zu systematisieren und diesen, etwa als Krediterwerb zur Gewährung materieller wie sozialer Dienste, gegenüber anderen Sozialpartnern einzusetzen.“ (Janning 1991: 43)

[7] „Diese ‚agents’ konstituieren sich dadurch als aktive und im Feld handelnde Akteure, daß sie die Eigenschaften besitzen, die erforderlich sind, um im Feld Wirkung zu entfalten, Effekte zu produzieren. […] Die sozialen Subjekte sind keine ‚Teilchen’, die von äußeren Kräften mechanisch angezogen oder abgestoßen werden. Vielmehr sind sie Kapitalbesitzer und haben entsprechend ihrem Lebenslauf und der Position, die sie im Feld aufgrund ihres Kapitalbesitzes (Volumen und Struktur) einnehmen, eine Neigung, aktiv auf den Erhalt oder Umsturz der Kapitaldistribution hinzuarbeiten.“ (Bourdieu/Wacquant 1996: 139f)

[8] Lindemann benutzt den Ausdruck „Museumsleute“ (2006: 5). Dieser wurde aber aufgrund seiner umgangssprachlichen Konnotation durch „Museumspersonal“ ersetzt.

[9] In dem untersuchten Zeitraum 1997-2006 finden sich vorrangig Artikel zu dem Thema der NLS. Aber es fanden auch zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen statt, anlässlich derer meist ein Katalog erstellt wurde. Die Ausstellungen sind von besonderer Bedeutung für die Begründung einer NLS, wie später noch erläutert wird. Deshalb werden die Kataloge zu diesen Ausstellungen in die Untersuchung miteinbezogen. „Liga“ (Leipzig 2000) kein Katalog erschienen, „malereizweitausendunddrei“ (Frankfurt 2003) , „sieben mal malerei“ (Leipzig 2003), „The New Leipzig School of Painting“ (Baltimore 2004) kein Kataloge erschienen, German Art (Saint Louis 2003/4 Wanderausstellung), „Northern Light: Leipzig in Miami“(Miami 2004/5) kein Katalog erschienen, „Clara Park“ (New York 2004) kein Katalog erschienen, „6. LVZ-Kunstpreis Matthias Weischer“ (Leipzig 2005), „Cold Hearts – Artists from Leipzig“ (Beijing und Seoul 2005/6), „Life After Death: Paintings from the Rubell Family Collection“ (2005/6/7, Wanderausstellung), „From Leipzig“ (Cleveland 2005) kein Katalog erschienen, „Triumph of Painting“ (London 2006), „Made in Leipzig: Bilder einer Stadt“ (Wien 2006, Wanderausstellung) und „Neue Rollen“ (Wolfsburg 2006).

Im Jahr 2006 sind einige Fachbücher erschienen, die das Thema NLS behandeln. Aufgrund ihrer Aktualität und da sie am Ende des Untersuchungszeitraumes stehen, bieten sie die Möglichkeit einer Übersicht oder eines Ergebnisses des Diskurses der letzten Jahre. Es handelt sich hierbei um „Collecting Contemporary” von Adam Lindemann, „People - Kunst heute“ von Charlotte Mullins und “New German Painting” von Christoph Tannert. Aufschlussreich wäre vermutlich auch das Werk „Das Ende des Bilderstreits – Die Debatte um die Kunst aus der DDR“ von Karl-Siegbert Rehberg gewesen, welches die Geschichte der Leipziger Schule behandelt. Es sollte 2006 erscheinen, doch der Termin wurde bis auf weiteres verschoben. „Er [Paul Kaiser] arbeitet zusammen mit Karl-Siegbert Rehberg an einer Geschichte der „Leipziger Schule“, die 2006 erscheinen soll.“ (Jocks, Heinz-Norbert Kunstforum 07/08.2005: 147)

[10] ART, Art Info Magazin, ArtNet Magazin, Kunstforum, Kunstzeitung, Parnass, Art+Auction, Art News, Weltkunst Contemporary;

[11] Leipziger Volkszeitung, The New York Times, Der Tagesspiegel, Die Zeit, Die Welt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Der Spiegel, Freitag 08;

[12] Manager-Magazin, Kreuzer, Regjo Leipzig/Halle, Park Avenue, Salon Oppenheimer;

[13] Nach eigenen Angaben

(http://www.art-magazin.de/ART_Preisliste_2007.pdf)

[14] Siehe dazu beispielsweise den Abschnitt über den Akteur Claus Baumann.

[15] Paul Kaiser ist Kultur- und Kunstwissenschaftler und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sonderforschungsbereich 537, Institutionalität und Geschichte, der Technischen Universität Dresden. Er arbeitet zusammen mit Karl-Siegbert Rehberg, Professor für Soziologische Theorie, Theoriegeschichte und Kultursoziologie an der TU Dresden, an einer „Geschichte der Leipziger Schule“ (S. 147), welche ursprünglich 2006 erscheinen sollte. (Jocks, Heinz-Norbert Kunstforum International 07/08.2005: 147)

[16] Im Folgenden abgekürzt mit HGB.

Ende der Leseprobe aus 106 Seiten

Details

Titel
Die Neue Leipziger Schule. Eine akteurzentrierte Diskursanalyse
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Kulturwissenschaften)
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
106
Katalognummer
V87671
ISBN (eBook)
9783638009102
ISBN (Buch)
9783638914635
Dateigröße
3940 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neue, Leipziger, Schule, Eine, Diskursanalyse, Thema Diskursanalyse
Arbeit zitieren
Carolin Modes (Autor:in), 2007, Die Neue Leipziger Schule. Eine akteurzentrierte Diskursanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87671

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