Goethes Italienische Reise


Seminararbeit, 2003

14 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung – Goethes Flucht aus Karlsbad

2 Zur Genese und Genealogie des Werks
2.1 Die „Italienische Reise“ und das Reisetagbuch im Vergleich

3 Goethes Reiseerlebnisse

4 Ein Programm der Klassik - Selbststilisierung Goethes

5 Literaturverzeichnis

1 Einführung – Goethes Flucht aus Karlsbad

Goethe hält am 11. September 1786, als er in einer Kutsche von Bozen aus auf Trient zufährt, folgendes in seinem Reisetagebuch für Frau von Stein fest:

„Es ist mir als wenn ich hier geboren und erzogen wäre und nun von einer Grönlandsfahrt Von einem Wallfischfang zurückkäme.“[1]

Etwa eine Woche zuvor, also am 3. September um 3 Uhr früh türmt Goethe aus Karlsbad, wo er als Tarnung mit dem Herzog und Vertrauten Carl August einen Badeaufenthalt absolviert. Wie schon 1772 in Wetzlar und 1775 in Frankfurt gleicht seine Abreise einer Flucht[2], neben seinem Diener Philipp Seidel ist nur der Herzog informiert, den er schriftlich um unbefristeten Urlaub bittet. Spärlich „mit einem Mantelsack und Dachsranzen“ ausgerüstet und „soviel Bücher[n] und Papiere[n]“[3], darunter auch den Reiseführer Volkmann, denkt Goethe zuerst nur an einen 8 Monate dauernden Aufenthalt in Italien. Mit seinen eigenen Ersparnissen, einem Zuschuss des Herzogs, dem Honorar für die bei Göschen erscheinenden Werke und seinem weiterbezahlten Beamtengehalt erhält Goethe die nötige finanzielle Grundlage für eine standesgemäße Reise nach Italien.[4] Markus Kreuzwieser stellt „Goethes Verstrickung in eine tiefe, seine gesamte Existenz erschütternde Krise am Ende des ersten Weimarer Dezenniums“[5] als Ursache für dessen Reise nach Italien dar. Die innerliche Krise verstärkt sich aus seiner Sicht dabei in drei Bereichen:

Auf politischer Ebene muss Goethe „die wesentlichen Ansprüche seiner Reformvorhaben als gescheitert“[6] anerkennen. Neben einer beruflichen Resignation zeigt sich eine künstlerische Krise. Bei Überarbeitung der ersten Gesamtausgabe bei Göschen stellt Goethe fest, „wie viel er während seiner zehn Jahre in Weimar begonnen, wie wenig er fertiggestellt hatte, wie viel noch in unveröffentlichter Form liegengeblieben war [...]“[7]. Der dritte innere Konflikt entsteht in Goethes Verbindung zu Frau von Stein. Ihre platonische, entsexualisierte Beziehung, die „Trennung von sinnlichen und geistigen Eros“ empfindet Goethe „auf die Dauer als eine Vergewaltigung seiner Natur“[8].

Die bereits ausgeführten drei Problembereiche können zusätzlich durch zwei unbewusste Motivationen ergänzt werden: So stellt die Reise nach Italien für Goethe sicherlich auch die Möglichkeit dar durch die „Anschauung von Großem, Bedeutendem“[9] seine Identität neu zu definieren. Das andere Motiv hat Kurt R. Eissler in seiner psychoanalytischen Studie[10] zu Goethe entwickelt. In Italien befreit sich der Dichter von der Übermacht des Vaters, er übertrumpft ihn sogar, als er über Neapel hinaus eine Reise nach Sizilien unternimmt. Erst durch bewusstes Akzeptieren seiner latenten Vateridentifikation kann Goethe während des Zweiten Römischen Aufenthalts sexuelle Erfüllung erreichen.

Inkognito, unter den Decknamen Johann Philipp Möller eilt Goethe von innerer Unruhe bedrängt nach Rom, wo er endlich Frieden findet:

„Ja ich bin endlich in dieser Hauptstadt der Welt angelangt! [...] Über das Tyroler Gebirg bin ich gleichsam weggeflogen. Verona, Vicenz, Padua, Venedig habe ich gut, Ferrara, Cento, Bologno flüchtig und Florenz kaum gesehen. Die Begierde nach Rom zu kommen war so groß, wuchs so sehr mit jedem Augenblicke, dass kein Bleibens mehr war, und ich mich nur drei Stunden in Florenz aufhielt. Nun bin ich hier und ruhig und wie es scheint auf mein ganzes Leben beruhigt.“[11]

Goethe durchlebt während seiner Italienreise tiefgreifende Veränderungen und gewinnt neue Einsichten, die sich wie folgt darstellen:[12] Die für sein politisches Amt entscheidende Interessen wie politische und soziale treten zurück, die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften wie Geologie, Botanik und Mineralologie gewinnt an Bedeutung und gleichzeitig treten ästhetische Fragestellungen in den Mittelpunkt, welche Goethe durch eine selektive Betrachtung der Natur und Kunst zu ergründen versucht.

Im folgenden Kapitel möchte ich auf die Genese und Genealogie der „Italienischen Reise“ eingehen.

[...]


[1] Johann Wolfgang von Goethe: Tagebuch der Italienischen Reise 1786. Notizen und Briefe aus Italien. Mit Skizzen und Zeichnungen des Autors. hrsg. u. erl. v. Christoph Michael. Leipzig, Frankfurt a.M.: Insel 1976 (insel taschenbuch 176). S.40.

[2] Vgl.: Nicolas Boyle: Goethe. Der Dichter in seiner Zeit. 1749-1790. Bd 1. München: C.H. Beck 1999. S. 452f. Vgl. weiters: Peter Boerner: Johannes Wolfgang von Goethe. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch 1999 (rowohlt monographien). S.63.

[3] Johann Wolfgang von Goethe: Tagebuch der Italienischen Reise 1786. a.a.O. S.16.

[4] Gunther Grimm u.a.: „Ein Gefühl von freien Leben“. Deutsche Dichter in Italien. Stuttgart: Metzler 1990. S. 57-93. Hier: S.69.

[5] Markus Kreuzwieser: Goethes Wiedergeburt in Italien. „Ein weißer Glanz ruht über Land und Meer Und duftend schwebt der Äther ohne Wolken“. ide-Themenheft. 1/1999 S. 95-112. Hier: S. 100.

[6] Ebenda.

[7] Dieter Borchmeyer: Weimarer Klassik. Portrait einer Epoche. Weinheim: Beltz/Athenäum 1994 (Studienbücher Literaturwissenschaft). S.142. Vgl. dazu: Markus Kreuzwieser: Goethes Wiedergeburt in Italien. a.a.O. Hier: S. 100.

[8] Borchmeyer: Weimarer Klassik. a.a.O. S.105. Vgl. dazu: Markus Kreuzwieser: Goethes Wiedergeburt in Italien. a.a.O. Hier: S. 101.

[9] Gunther Grimm u.a.: „Ein Gefühl von freien Leben“. a.a.O. Hier: S.70.

[10] Vgl.: Eissler, K.R.: Goethe. Eine psychoanalytische Studie 1775-1786 in 2 Teilen. Bd 2. Basel, Frankfurt a. M.: Stroemfeld/Roter Stern 1985. S.1121-1224.

[11] Johann Wolfgang von Goethe: Italienischen Reise. hrsg. v. Andreas Beyer u. Norbert Miller. München, Wien: Carl Hanser 1992 (Sonderausg. v. Bd 15 d. Münchner Ausg. sämtlicher Werke). S.146f.

[12] Im folgenden Absatz beziehe ich mich auf: Markus Kreuzwieser: Goethes Wiedergeburt in Italien. a.a.O. Hier: S. 101.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Goethes Italienische Reise
Hochschule
Universität Wien
Note
1,00
Autor
Jahr
2003
Seiten
14
Katalognummer
V55889
ISBN (eBook)
9783638507264
ISBN (Buch)
9783656787587
Dateigröße
466 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Goethes, Italienische, Reise
Arbeit zitieren
Johannes Mattes (Autor:in), 2003, Goethes Italienische Reise, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55889

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