Public Diplomacy in der Mediengesellschaft

Chancen und Grenzen am Beispiel des Karikaturenstreits zwischen Polen und Deutschland


Bachelorarbeit, 2010

65 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I Deckblatt

1 Einleitung

2 Grundlagen der Public Diplomacy

3 Das Mediensystem
3.1 Entwicklungdes Mediensystems
3.2 DieInformations-/Mediengesellschaft
3.3 Medienpolitik

4 Die Öffentlichkeit
4.1 Öffentlichkeit in der Mediengesellschaft
4.2 Wirkungsweisen der Öffentlichkeit als intermediäre Sphäre
4.3 Die politische Öffentlichkeit
4.4 Die öffentliche Meinung

5 Politische Kommunikation
5.1 PolitischeKommunikation in der Mediengesellschaft
5.2 Internationale politische Kommunikation
5.3 Politainment
5.4 DieRollender Akteure innerhalbder Herstellung politischer Kommunikation

6 Der Karikaturenstreit - Grundlagen und Verlauf

7 Public Diplomacy - Theorien und Konzepte

8 Analyse des Karikaturenstreits im Kontext der Public Diplomacy

9 Fazit

III Anmerkungen und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Ein Gespenst ging einst um in Europa - es war das Gespenst des Kommunismus gegen das sich alle Mächte des alten Europa zu einer heiligen Hetzjagd verbanden. Mit diesen pathetischen Wor­ten leiteten Karl Marx und Friedrich Engels im Jahre 1848 in ihr Manifest der Kommunistischen Partei ein.

Ungefähr 160 Jahre später hatte Europa erneut gegen eine Macht zu kämpfen, die an den Grund­festen der Völkerverständigung und Staatenverbünde auf dem Kontinent zu kratzen begann. Doch waren es dieses Mal sogar zwei Gespenster, die aus Polen kamen und aufbegehrten, innerhalb der außenpolitischen Beziehungen keinen Stein auf dem anderen lassen zu wollen; es waren die Zwil­lingsbrüder Jaroslaw und Lech Kaczynski. Obwohl Letzterer von Deutschland gerade einmal den Spucknapf in der Herrentoilette des Frankfurter Flughafens zu kennen sich brüstete, hegte er zu­sammen mit seinem Bruder und der gemeinsam gegründeten Partei ein tiefes Misstrauen gegen den westlichen Anrainer, wobei die lange zurückliegenden Kriegsgeschehnisse immer wieder als Rechtfertigung der zumeist zweifelhaften Handlungen und Äußerungen bemüht wurden.

Man sehe mir die hier doch recht polemischen Äußerungen nach, doch sind diese gut geeignet, um in die behandelte Thematik einzuführen und die Brisanz der Vorgänge bereits zu Beginn ein wenig zu verdeutlichen. Etwas überspitzt auszudrücken stellt ein Stilmittel dar, welches den Leser anregen soll weiter zu lesen, doch kann es im heutigen Kontext auch Wellen schlagen, mit denen nicht gerechnet wurde, vor allem dann, wenn man es nur geschickt an den dafür besonders emp­fänglichen Adressaten heranträgt. So geschehen im Jahre 2006 als die tageszeitung (taz) mit einer satirischen Darstellung und obendrein karikaturistischen „Verballhornung“ die oben genannten Personen wie auch deren politisches Auftreten - vor allem gegenüber Deutschland - aufs Korn nahm. Die Medien- und Pressefreiheit ist in Deutschland per Grundgesetz von einer Zensur be­freit, da die Vermittlung und öffentliche Darstellung politischen Handelns die Voraussetzung und Grundlage für eine freie Meinungsbildung innerhalb der Bevölkerung darstellen soll und somit in modernen Demokratien ständig auch mit satirischen Darstellungen der Politik zu rechnen ist, da den Medienakteur das „Wie“ der Informationsvermittlung allein unterliegt. Die Medien sind somit die Schnittstelle zwischen Politik und Bürger und damit nehmen sie eine zentrale Position inner­halb demokratischer Gesellschaften ein. Sie sind Kritik- und Kontrollinstanz, Wächter, oder gar vierte Gewalt, welche die Konzentration von Macht oder ihren Missbrauch prüfen und - was das Wichtigste ist - transparent machen können. Öffentlichkeit wie auch die öffentliche Meinung ent­stehen aus dieser Basis und sind innerhalb heutiger Gesellschaften das wichtigste Phänomen an dem sich das gesamte politische Handeln auszurichten hat. So unterrichteten die Medien die Be­völkerung auch über die politischen Vorgänge in Polen unter der Regierung Kaczynski und schu­fen somit nicht nur hierzulande, sondern vor allem auch in Polen eine öffentliche Meinung über diese Regierung, die dieser keineswegs gefallen konnte. Noch dazu kam die Belei­digung aus dem sowieso schon nicht gern thematisierten Deutschland. Die Ausweitung der Vor­gänge zu einem handfesten Streit war in diesem Falle also unumgänglich. Daher lohnt sich auch eine nähere Beschäftigung mit diesem Thema, da man neben einer Vielzahl humoristischer Aus­einandersetzungen auch die Verquickungen der in heutigen Gesellschaften maßgebenden Teilsys­teme Politik und Medien besser verstehen lernt. Somit lässt sich ein nachzuvollziehender Prozess herauskristallisieren, der erklären kann, weshalb im heutigen Kontext solch enorme Medienwir­kungen wahrgenommen werden können, welche letztlich anfälligere Regierungen in Ausnahme­zustände versetzen können. Verfolgt man diesen Prozess weiter, so stößt man unumgänglich auf den Begriff der „Public Diplomacy“, welcher im englischsprachigen Raum ca. seit der Mitte der 1960er Jahre existiert und zu dem es im deutschen Sprachraum bis heute (!) keine adäquate Ent­sprechung gibt. „Öffentliche Diplomatie“, „diplomatische Öffentlichkeitsarbeit“ oder „politische Öffentlichkeitsarbeit im Ausland“ sollen hier nur einen Auszug aus dem Pool der Übersetzungs­möglichkeiten darstellen. Neben der zentralen Rolle der Medien im politischen System moderner Demokratien wird deren Wirkung im außenpolitischen Bereich im allgemeinen durch das Zusam­menwachsen der (demokratischen) Welt im Zuge der Globalisierung noch zusätzlich befeuert. Dies stellt grundsätzlich neue Herausforderungen an die Außenpolitik einzelner Staaten und deren Kommunikation mit Anderen. Somit kann die außenpolitische Ebene nüchtern und ökonomisch als Wettbewerb angesehen werden, den derjenige gewinnt oder zumindest positiv gestaltet, der sich am besten darstellt oder dargestellt wird. Und diese Darstellung funktioniert wiederum einzig und allein durch die Medien, welche den arkanen Diplomatiebetrieb weitestgehend in den Hinter­grund gedrängt haben. Auch international bilden die Medien zunehmend eine allgemein zugängli­che Öffentlichkeit, innerhalb der es sich für die Politik zu beweisen gilt, was allerdings nur durch größtmögliche Medienaufmerksamkeit erreicht werden kann. Dies wiederum bringt die Notwen­digkeit der Einhaltung der Spielregeln und Routinen der Massenmedien mit sich, was nun letztlich wieder zum Karikaturenstreit zwischen Polen und Deutschland führt. In diesem werden Nachrich­tenfaktoren und Personalisierung im höchsten Grade bedient, um Aufmerksamkeit zu erzielen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und langfristig zu prägen. Somit ließen sich durch eine sol­che gezielte Darstellung defizitärer Verhältnisse grundlegende Ziele von Public Diplomacy errei­chen. Einerseits durch beeinflussende Kommunikation, welche nicht primär an die eigene, son­dern die polnische Bevölkerung gerichtet war, um deren Verhältnis zur Regierung zu beeinflussen. Denn auch diese ist auf positiv gestimmte Wähler angewiesen. Zweitens konnte „mittels strate­gisch ausgerichteten Kommunikationsmaßnahmen, Zustimmung und Verständnis für das eigene Land, bzw. die eigene Politik in der Bevölkerung“1 Polens erreicht und somit das eigene Außen­bild verbessert werden. Ob dem tatsächlich so war und wenn ja, wie die Wirkungen zu erklären sind oder, welche Grenzen sich innerhalb dieses Kontextes herausfinden lassen, soll der wesentliche Rahmen dieser Arbeit sein. Weiterhin soll im Verlauf der Arbeit gezeigt werden, dass einzig ein grundlegender Medien- und Gesellschaftswan­del die Herausbildung einer so wichtigen öffentlichen Meinung, Strategien zu deren Beeinflus­sung und damit in letzter Konsequenz Konzepte einer erfolgreichen Public Diplomacy, hervorzu­bringen vermochte. Welche Möglichkeiten dies im Kontext des Karikaturenstreits generierte aber auch, welche möglichen Schranken der friedfertigen Umgangs miteinander setzt, die möglicher­weise oft zu schnell und mit nicht allzu großer Rücksicht durchbrochen werden, sollen sich aus der Analyse an späterer Stelle ergeben.

Um allerdings das relativ neue Phänomen der Public Diplomacy auch in seiner Entstehung nach­vollziehen zu können und dabei zu erklären warum und weshalb es gerade in diesem Kontext so wichtig ist und allgemein in den heutigen Mediengesellschaften so wirkmächtig werden konnte, soll im Anschluss an die folgende theoretische Einleitung in das Gesamtthema dargestellt werden und auch welche grundlegenden Voraussetzungen dafür gegeben sein mussten. Dazu soll zunächst die Entwicklung und der Wandel der Medien hin zu einem eigenständigen, gesellschaftsprägenden System dargestellt werden, was dann eine spezifisch ausgeprägte Medienpolitik zur Folge haben wird. Auch wird das Titelthema dieser Arbeit, nämlich die „Mediengesellschaft“, als Phänomen an sich beschrieben und ihre Entstehung dargestellt. Diese Erläuterungen werden dann direkt zum auch hier schon einige Male erwähnten Phänomen der Öffentlichkeit und der aus ihr entstehenden öffentlichen Meinung führen. Auch die Öffentlichkeit unterlag medienbedingt einem grundlegen­den Wandel, welcher auf die heutigen Medienlogiken und Kommunikationsstrukturen zurückzu­führen ist, die wiederum zu einer grundlegenden Änderung der politischen Kommunikation und Kommunikationskultur führten. Diese sollen dann im Folgenden hinsichtlich der modernen Ent­wicklung hin zum „Politainment“ untersucht werden. Die Alltagspraxis wie auch eine Vielzahö von Studien können belegen, dass die von den Medien präsentierte Welt oft stark vom Ist-Zustand abweicht und Unterhaltungselemente im Vordergrund stehen. Von daher ist der Schritt der Unter­suchung der politischen Kommunikation unumgänglich um eine solch karikaturistische Darstel­lung politischer Verhältnisse im Kontext der entstandenen Mediengesellschaft und „spaßlastigen“ Öffentlichkeit erklären zu können. Auch die Rolle der Journalisten innerhalb des Prozesses der In­formationsbereitstellung wurde hier einleitend erwähnt und soll im Anschluss an das Kapitel zur politischen Kommunikation näher beleuchtet werden. Politik und Journalismus müssen symbio­tisch agieren, damit beide gesellschaftlichen Systeme auf Dauer erfolgreich bestehen können. Deshalb soll auch den Interaktionen beider Systeme Raum geschaffen werden. Diese Betrachtun­gen und Ergebnisse führen dann schließlich zum Beispielfall der Arbeit: dem Karikaturenstreit zwischen Polen und Deutschland. Zunächst werden Grundvoraussetzungen für das Entstehen ei­nes solchen Konflikts wie auch dessen Hergang und einige Folgen dargestellt, worauf sich eine abschließende Analyse der Vorgänge im Kontext der Public-Diplomacy-Debatte anschließen wird.

2. Grundlagen der Public Diplomacy

Public Diplomacy, in ihren an späterer Stelle erwähnten Ausprägungen, Wirkungsweisen und auch Folgen, besteht bereits vom Begriff her aus zwei wichtigen Komponenten: Der Orientierung an der Öffentlichkeit oder sogar der Verhaftung in ihr und dem altehrwürdigen Topos der Diplomatie. Bevor also eine genauere Betrachtung des Themenkomplexes Public Diplomacy angestrebt wer­den kann, ist es sinnvoll und unumgänglich sich beiden Komponenten zuzuwenden, da deren Be­deutung im Einzelnen die wichtigsten Grundsteine für die späteren Betrachtungen zu liefern ver­mögen.

Zu Beginn der Untersuchung wird der Blick nun zunächst in Richtung des Wortteils „Diplomatie“ gewandt. Da sich die klassische Diplomatie in einem starken Wandel eben hin zur Public Diplo­macy befindet, dennoch aber grundlegende Elemente der Jahrtausende alten Praxis des Leitens von Verhandlungen zwischen bevollmächtigten Repräsentanten verschiedener Gruppen oder Na­tionen in sich aufnimmt kann sie deshalb keinesfalls losgelöst von ihrem Ausgangspunkt betrach­tet werden.

Das klassische Feld der Diplomatie mit ihren ältesten und auch einfachsten Formen und Vorge­hensweisen lässt sich in drei Bereiche aufgliedern. Eine erste Form ist hierbei die bilaterale also zweiseitige Diplomatie, welche zwei Gruppen oder Staaten umfasst. Eine weitere Form, bei der viele Gruppen oder Staaten im diplomatischen Prozess zu einem für alle annehmbaren und auch verbindlichen Ergebnis zu kommen suchen, ist die sogenannte multilaterale oder mehrseitige Di­plomatie. Eine aufgrund der allgemeinen globalen Verflechtungen heutzutage kaum mehr prakti­zierte dritte Form ist schließlich der Unilateralismus, also das Alleinhandeln eines Staates nur im Eigeninteresse und ohne Absprachen mit anderen Nationen, möglicherweise auch diesen zuwider. Innerhalb dieser Trias existieren natürlich noch eine Vielzahl anderer diplomatischer Vorgehens­weisen, welche an dieser Stelle aber nicht näher erläutert werden sollen. Allen diplomatischen Verhaltensweisen ist aber eines gemeinsam, nämlich die Basis des verbalen Taktgefühls, welches die sachliche Diskussion über die Fakten gewährleistet, und ohne das, das Funktionieren diploma­tischer Verhandlungen wohl jäh zum Scheitern verurteilt wäre. Diplomatisches Verhalten erfordert neben dem verbalen Taktgefühl obendrein Kompromissbereitschaft, wie auch den Willen, die Ab­sichten und Wünsche der anderen am Prozess Beteiligten wahrzunehmen und zu berücksichtigen. Die im Folgenden nun als klassische oder herkömmliche Diplomatie beschriebene Erscheinungs­form dieses Verhandlungsprozesses sei damit für die Zwecke dieser Arbeit zunächst hinreichend umrissen, um die deutlichen Veränderungen im Wandlungsprozess hin zur Public Diploma-cy her­auskristallisieren zu können.

Die beiden grundlegenden Punkte an denen ein deutlicher Wandel ersichtlich wird sind zum einen die Verlagerung der Kontaktebene innerhalb der Diplomatie und zweitens die enorme Gewichtung des sogenannten „Soft Power“ Konzeptes in den modernen internationalen Beziehungen.

Während sich die klassische Kontaktebene im diplomatischen Bereich zwischen zwei oder mehr Staaten auf das Verhältnis Regierung - Regierung, oder konkreter Diplomat (Botschafter) - Di­plomat (Botschafter) bezog, ist in der Entwicklung der letzten ca. 20 Jahre und vor allem der ge­genwärtigen Ausprägungen ein, die Öffentlichkeit und Bevölkerung stärker einbeziehendes, Ver­hältnis festzustellen. Dieses wird in seinen theoretischen Grundlagen an späterer Stelle näher be­leuchtet, aber hier bereits ausblickend benannt. Es ist das Verhältnis Regierung (oder Diplomat) zur Bevölkerung (des eigenen oder anderen Landes) und schließlich in der höchst ausgeprägten öffentlichen Form das Verhältnis Bevölkerung (des einen Landes) zu Bevölkerung (des anderen Landes)2. Diplomatie wird nun nicht mehr in von der Bevölkerung abgetrennten arkanen Foren zwischen den Machthabern bestimmter Gruppen, Institutionen, Nationen oder sonstigen Organisa­tionsformen stattfinden, sondern wird Regierungen oftmals in bloße Vermittlerrollen abdrängen, die einen scheinbar mehr oder weniger von Ihnen losgelösten Prozess zu managen und in die sich selbst gegebenen und erwünschten Bahnen zu leiten haben.

Der zweite und in diesem Kontext möglicherweise wichtigere Faktor, der den Veränderungen des internationalen Systems Rechnung trägt und damit in Folge auch die Entwicklung hin zu einer Pu­blic Diplomacy verständlicher macht, ist der Begriff der „Soft Power“, den Joseph Nye 1990 („Bound to lead: the changing nature of American power“) eingeführt und 1994 („Soft Power: The Means to Success in World Politics“) weiterentwickelt hat. Seine Definition ist dabei maß­geblich für jede Untersuchung die sich mit der sogenannten weichen Macht beschäftigt, und soll deshalb auch hier einleitend Erwähnung finden:

„Soft power [...] is the ability to get desired outcomes because others want what you want. It is the ability to achieve goals through attraction rather than coercion. It works by convincing others to follow or getting them to agree to norms andinstitutions thatproduce the desiredbehaviour“3

Den Begriff der Soft Power konzipiert Nye als Gegensatz und in Abgrenzung zur Hard Power, welche auf militärischer und ökonomischer Stärke beruht und mit militärischen Bedrohungen oder ökonomischen Anreizen und Verwehrungen arbeitet. Die Soft Power, also die Anziehungskraft ei­nes Landes, rekurriert hingegen auf dessen Kultur, Wirtschaftskraft, Werten, Überzeugungen, etc. „Sie kann durch Regierungshandeln vergrößert, aber auch verkleinert werden.“4 Alles in allem liegt der grundlegende Unterschied zwischen Soft Power und Hard Power also „nicht in den Zielen, sondern in den Instrumenten der Außenpolitik“5, welche das Ziel „andere wollen, was ich will“ zu erreichen versuchen. Den Instrumenten Zwang, Bestechung, Sanktion, etc. der Hard Power stehen Überzeugungskraft und Argumente der Soft Power gegenüber, welche das Potential haben wesentlich positiver angenommen zu werden und damit nachhaltiger zu wir­ken. Das wesentliche Element für den Einsatz von Soft Power im heutigen Kontext ist die Public Diplomacy, welche „auf eine Vielzahl unterschiedlicher Institutionen und Instrumente“6 wie Bot­schaften, Kulturinstitute, Auslandsrundfunk, etc. zurückgreift, die allesamt dem Sektor der Soft Power zuzuordnen sind. Diplomaten, wie sie aus der klassischen Diplomatie bekannt sind, spielen zwar immer noch eine „Schlüsselrolle im Kommunikationsprozess mit der ausländischen Öffent­lichkeit“7, jedoch reduzieren sich ihre politischen Aufgaben immer mehr, da „der Austausch zwi­schen Staats- und Regierungschefs“8, genau wie die Kommunikation an sich, „immer direkter wird“9 und sich somit „die Arbeitsschwerpunkte zunehmend in den Bereich 'Kommunikation nach außen'“10 verlagern. Dies führte im Verlauf „zu einer inhaltlichen Neuausrichtung der Auswärtigen Dienste“11 und in deren Folge „auch zu einem neuen Selbstverständnis der Diplomaten“, welches Leonard et al. wie folgt beschreiben:

„The biggest challenge [ofpublic diplomacy] is to the culture andpriorities offoreign services themselves. Public Diplomacy can no longer be seen as an add-on to the rest of diplomacy - it has to be seen as a central activity which is played out across many dimensions and with many partners.“12

Bereits an dieser Definition ist zu erkennen, dass die Public Diplomacy heutzutage die maßgeben­de Form von Diplomatie ist und aus ihrem Ursprung so maßgeblich entwuchs, dass sich selbst die klassischen Organe der Diplomatie an ihre Determinanten anpassen (müssen) und sich somit eine eigenständige Beschäftigung mit diesem Thema lohnt.

Public Diplomacy geht ihrem Selbstverständnis sowie den Anforderungen des internationalen Systems nach „über die Kommunikation von politischen Themen hinaus - sie zielt auf eine ganz­heitliche Positionierung des Heimatlandes im Ausland und gegenüber den verschiedenen An­spruchsgruppen ab.“13 Public Diplomacy ist dabei neben einbahnstraßenartiger Vermittlung von Information auch Dialog und Diskussion (Zweibahnstraße).

Nach dieser kurzen Einführung in die Materie dürfte bereits deutlich geworden sein, dass Public Diplomacy „ein bedeutender Trend in der Außenpolitik“14 ist, welcher „die Auswärtigen Dienste vor große Herausforderungen stellt.“15 Die Außenpolitik ist weltweit „stärker in den Fokus der Öf­fentlichkeit gerückt und Staaten haben in der globalisierten Welt an Kontrollmöglichkeiten verlo­ren.“16 Die Zeit der „traditionellen, auf dem Geheimhaltungs-Prinzip basierenden Organisation der Auswärtigen Dienste“17 scheint abgelaufen und wird einer Netzwerkdiplomatie weichen müssen, die unter Verwendung der Soft-Power-Maximen „staatliche und nichtstaatliche Akteure verbindet und nachhaltige Beziehungen zu den Zielgruppen im Ausland etabliert.“18 Im Gegensatz zur z.B. amerikanischen Ausprägung der Public-Diplomacy-Aktivitäten „als außenpolitisches Konzept zur gezielten Durchsetzung von Interessen“19 stehen die europäischen Staaten noch am Anfang einer Implementierung dieser Aktivitäten in die auswärtigen Verfahren. So gibt es erst seit dem Jahre 2003 in Deutschland eine entsprechende Abteilung im Auswärtigen Amt, welche für Deutschlands politische Grundüberzeugungen wie gesellschaftlichen Wertevorstellungen wirbt, um Deutschland im Zeitalter der Globalisierung konkurrenzfähig zu halten. Das dezidierte Ziel dabei stellt die ganzheitliche Positionierung der „Marke Deutschland“ dar, mit der harte und weiche Faktoren beim Adressaten angesprochen werden sollen, um Herz und Verstand gewinnen zu können. Public Diplomacy ist somit ein wirkmächtiger Faktor in den Außenbeziehungen und der Außendarstel­lung eines jeden Akteurs im internationalen System und bedarf daher an späterer Stelle näherer theoretischer Fundierung. Um allerdings den Wandel hin zum Konzept der Public Diplomacy und auch der vorrangigen Anwendung von Soft-Power-Strategien im internationalen System verstehen zu können, ist eine Betrachtung des Wandels der grundlegenden Rahmenbedingungen dieses Pro­zesses unumgänglich. Dazu muss der tiefgreifende Wandel des Mediensystems wie auch der Me­dien an sich dargestellt werden, denn welche Kommunikation als Grundlage der diplomatischen Außenbeziehungen kann heutzutage noch losgelöst vom Mediensystem und dessen Logiken be­trachtet werden? Diese Darstellung wird erläutern können, weshalb es infolge dieses Wandels zu einer enormen Veränderung der politischen Kommunikation und Kommunikationskultur innerhalb der entstandenen Medien- und Informationsgesellschaften kam und impliziert dabei bereits den darzulegenden Gesellschaftswandel. Alle diese Veränderungen werden am Ende die Entstehung eines höchst öffentlichen Prozesses wie den der Public Diplomacy erklären können und die Viel­falt der theoretischen Ausprägungen, Definitionen und Wirkungsweisen desselben untermauern. Politische Kommunikation sowie Information und Persuasion als wesentliche Elemente einer er­folgreichen Public Diplomacy sollen im folgenden im Kontext des Medienwandels und damit des Wandels politischer Kommunikation an sich in ihren Ausprägungen dargelegt werden.

Die zuvor kurz skizzierten Wandlungsprozesse von einem althergebrachten, eher arkanen oder zu­mindest weitestgehend der öffentlichen Durchdringung entzogenen Prozess der Diplomatie und der diplomatischen Verhandlungsprozesse, hin zu einer stark öffentlichen Diplomatie, lassen sich nur im Kontext eines grundlegenden Wandels der Medien, des Mediensystems und der damit ein­hergehenden spezifischen Logiken und Arbeitsweisen sinnvoll nachvollziehen. Um diesen eige­nen Wandel der Rahmenbedingungenjeglicher, aber vor allen Dingen auch politischer Kommuni­kation in seinen wesentlichen Punkten darzulegen, soll das folgende Kapitel dienen.

3. Das Mediensystems

3.1 Entwicklung des Mediensystems

Die grundlegenden Voraussetzungen für ein so ausdifferenziertes Medien- und Kommunikations­system heutiger Prägung reichen sehr weit in die Geschichte der Menschheit zurück. Der Beginn kann auf die Erfindung des Schreibens im 4. Jahrtausend v. Chr. festgelegt werden. Dies ermög­lichte es dem Menschen erstmals Informationen in verlässlicher Form zu speichern, zu entfernten Kulturen zu transportieren, oder sie, durch Weiterreichung an die Nachkommen, die Zeiten über­dauern zu lassen.

Der nächste wichtige Schritt hin zu einer medienbasierten Kommunikation war mit der Erfindung des Druckwesen und der daraus resultierenden Herstellung und Vervielfältigung von Büchern ge­lungen. Aufgrund der großen Bedeutung dieser medialen Weiterentwicklung trägt die Neuzeit auch den Beinamen „Buchzeitalter“. Das Wissen derjeweiligen Zeit war nun also speicherbar und nicht auf mündliche Überlieferungen angewiesen. Der Mensch konnte sich leisten zu vergessen, die kulturellen Überlieferungen warenja schließlich niedergeschrieben. Ein weiterer enormer Vor­teil von Schrift und Druck war die allgemeine Zugänglichkeit des gespeicherten Wissens, welches durch die Erfindung der beweglichen Lettern erstmals eine massenhafte Verbreitung erlebte, die natürlich nicht mit den heutigen Massenmedien zu vergleichen ist, aber für die damaligen Verhält­nisse hohe Reichweiten hatte. Die nächstfolgende Entwicklung, die es der breiten Bevölkerung er­möglichen sollte auch in gebührendem Maße an diesen Neuerungen und der massenhaften Ver­breitung zu partizipieren, war die Einführung der allgemeinen Schulpflicht. Die Kenntnis des Le­sens und Schreibens erlebte somit auch ihre flächendeckende Verbreitung und es kann erstmals von einer gesellschaftlichen Auswirkung eines neuen Mediums gesprochen werden. Denn „die Verbreitung der neuen Technik des Buchdrucks war [...] eine wichtige Ursache für den Autoritäts­verlust der römischen Kirche und Bedingung für die Reformation. Nur mittels der massenhaften Verbreitung der Bibel und anderer religiöser Texte seit der Einführung der neuen Drucktechnik war es möglich, das Interpretationsmonopol der Kirche über religiöse Informationen zu brechen.“20 Mit der Verbreitung des Wissens stieg im Umkehrschluss auch die Nachfrage nach ge­druckten Büchern und somit auch - als ökonomischer Faktor - die Produktion dieser. „Für das Bürgertum waren Bücher und Wissen zu einem wichtigen, produktiven Faktor und einem Mittel des Aufstiegs geworden. Das Bürgertum übertraf den Adel schon bald an Wissen und Belesen­heit.“21

Es wird hieran deutlich, dass nicht nur in der heutigen massenmedialen und überkomplex vernetz­ten Welt die höchst differenzierten Medien zu grundlegenden gesellschaftlichen und politischen Veränderungen in der Lage sind; auch in ihren einzelnen Entwicklungsschritten hatten die Medien großes revolutionäres Potential, welches auch immer ausgeschöpft wurde.

Den nächsten wesentlichen Entwicklungsschritt hin zur heutigen Medien- und Informationsgesell­schaft stellt das 19. Jahrhundert mit seinem mechanisierten Weltbild dar. Die Erfindung und Ent­wicklung von Telekommunikation und den dazugehörigen Geräten Telegraph, den Fernmeldeanla­gen und später dem Telefon, führte zu einer völlig neuen Qualität der medialen Entwicklung. Es war nun möglich und auch notwendig Kommunikationsnetze zu errichten und immer weiter aus­zubauen, um den gewünschten Effekt - Informationen nahezu in „Echtzeit“ kommunizieren zu können - zu erreichen. „Das Telefon verwandelte die Wirklich in Virtualität, eine reale Person re­duzierte sich auf eine Stimme und beschränkte sich darüber hinaus auf das Imaginäre. Das Telefon hat die physische Präsenz aufgehoben, es hält Nähe fern. Gleichzeitig zieht es die Ferne in die nächste Nähe der Intimität.“22 Liest man solche Beschreibungen, klingt es zunächst befremdlich, wenn man davon weiß, dass von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Rede ist. Virtualität, Nähe und Allgegenwärtigkeit sind Begriffe, die auch heute ein jeder mit den Medien und deren Wirkungen in Verbindung bringt. Die Menge der gespeicherten und verarbeiteten Informationen sowie deren Übertragungsgeschwindigkeit vermochten sich nun rasanter dennje zu steigern und selbst zu reproduzieren, sodass ein exponentieller Anstieg der Menge der Kommunikationskanäle die logische Folge war und noch immer ist. Den nächsten Schritt hin zu einer von Informations­und Kommunikationstechnologien durchdrungenen Zeit stellt das 20. Jahrhundert als Jahrhundert des Hörfunks und Fernsehens als politischer Leitmedien dar. „Die Einführung des Hörfunks in Deutschland Anfang der 20er Jahre bewirkte, daß [sic!] die gesamte Gesellschaft über Wort- und Tonausstrahlungen erreichbar wurde.“23 Der Begriff „Massenmedium“ scheint damit erstmals in seinem heutigen definitorischen Rahmen Anwendung zu finden. Die Entwicklung des Fernsehens ist der zweite bedeutende Fortschritt des 20. Jahrhunderts, welcher bis in die heutige Zeit noch nichts an Attraktivität verloren hat, da das Fernsehen, trotz aller Ausprägungen des Computerzeit­alters vor allem im politischen Bereich auch weiterhin Leitmedium ist.

Betrachtet man all diese Entwicklungen und teils höchst revolutionären Erfindungen mit ihren Wirkungen im heutigen Kontext, ist es nicht verwunderlich, dass der auch hier schon einige Male verwendete Begriff der Informationsgesellschaft oder auch Mediengesellschaft häufig für die Be­schreibung aktueller sozialer Systeme herangezogen wird und auch im Titel dieser Arbeit verhaf­tet ist. Denn es ist fraglich, ob sich ohne die Rahmenbedingungen einer so ausdifferenzierten Me­dien- und Informationsgesellschaft überhaupt solch neue Qualitäten und Ausprägungen der politi­schen Kommunikation, der Öffentlichkeit und damit auch der Außenkommunikation wie Diplo­matieführung ergeben hätten. Doch was hat es mit dem Begriff der Medien- / Informationsgesell­schaft überhaupt auf sich?

3.2 Die Informations- / Mediengesellschaft

„Das Konzept der Informationsgesellschaft wird meist auf Daniel Bell und seine 1973 publizierte Theorie der postindustriellen Gesellschaft zurückgeführt“24. Jedoch umfasst dieses Konzept weit­reichendere gesellschaftliche Bereiche, sodass man auf die Medien konzentriert von einer, auf In­formations- und Kommunikationstechnologien basierenden Gesellschaft sprechen kann. In ihr sind alle Lebensbereiche von diesen Technologien durchdrungen und da sich diese ständig weiter­entwickelten und auch noch weiter entwickeln, ist hierbei niemals von einem starr definierten Phänomen zu sprechen, sondern von einer häufig neue Gestalt annehmenden, integralen Determi- nate postindustrieller und postmoderner Gesellschaften. Der Topos „Wissensgesellschaft“ wird hierbei häufig synonym verwendet, da es sich bei den massenmedial verbreiteten Informationen um allgemein zugängliches, kumuliertes Wissen der Zeit handelt. Ein wesentliches Merkmal der Mediengesellschaft, welches die meisten Autoren der Gegenwart im Einklang als typisch für diese Gesellschaftsform benennen, ist die hohe Komplexität, die sie aufweist. Einen wesentlichen Bei­trag zu dieser Eigenschaft der Mediengesellschaft leistete die Entstehung und ständige Ausdiffe­renzierung der digitalen Medien und globalen Computernetzwerke. „In der Praxis bedeutet die In­formationsgesellschaft, daß [sic!] Wissen und Information zu Schlüsselressourcen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung werden (...) [d]ie Kommunikation wird zur Infrastruktur der Gesellschaft.“25 Diese entstandene und deutlich feststellbare Komplexität hat als Folge eine ge­wisse Ungewissheit, welche den Menschen und den sozialen Vorgängen innerhalb einer medialen Gesellschaft bestimmte Herausforderungen stellt, die in nicht seltenen Fällen zu einer Überforde­rung führt, der es beständig entgegenzuwirken gilt. Information soll innerhalb dieses Kontextes zur Verringerung von Ungewissheit dienen und stellt damit in den modernen Gesellschaften das entscheidende Werkzeug zur Bewältigung der Herausforderungen der Welt dar. Es kommt also wesentlich darauf an, dass der Mensch „in der Informationsgesellschaft weiter Herr des Verfah­rens bleiben“26 muss. Doch wie kann dies gelingen?

Dazu ist zunächst als weitere Grundvoraussetzung der Mediengesellschaft festzuhalten, dass „die alte, klassische Ordnung einer Trias von Politik, Öffentlichkeit und Medien nicht mehr ihren fes­ten Rahmen und ihre feste Ratio besitzt.“27 Dies bedeutet im Wesentlichen, dass sich die Men­schen immer mehr Medienkanälen ausgesetzt sehen, mit denen sie sich allerdings auch immer län­ger beschäftigen und somit nahezu jede wichtige Information über die Welt und das Geschehen aus den Medien entnehmen. Dies scheint zunächst einmal verdeutlichen zu wollen, dass die Poli­tik gänzlich in den Hintergrund gerückt sei. Ob dem so ist, soll an späterer Stelle geklärt werden - für jetzt gilt aber festzuhalten, dass „[m]oderne Demokratien ohne Anerkennung einer Omniprä­senz von Medien nicht aus[kommen] und politisch Handelnde sich (...) daran zu orientieren [ha­ben].“28 Hieraus lässt sich entnehmen, dass Politik nicht mehr allein ausreichend vermitteln kann und ihrer gesellschaftlichen Weichenstellerrolle nur dann gerecht werden kann, wenn der media­len Information eine ihrer Position würdigen Vermittlerfunktion eingeräumt wird. Die Medien in ihrer Gesamtheit sind im heutigen Kontext als „komplexe institutionalisierte Systeme um organi­sierte Kommunikationskanäle von spezifischem Leistungsvermögen“29 zu definieren - was natür­lich die Teilnahme am medienvermittelten Informationsprozess bei Kommunikatoren wie Rezipi­enten an Voraussetzungen wie Rezeptionskompetenz, zeitliche und soziale Disponibilität oder auch Kommunikationsgeschick knüpft. Weiterhin stellen sie das einzig fähige, weil weitrei­chendste, System dar, welches die zuvor als so notwendig betitelte Komplexitätsreduktion inner­halb informationsüberfluteter Mediengesellschaften erreichen kann und auch die dafür benötigten Werkzeuge zur Verfügung hat. Als typische Werkzeuge zur Reduktion von Komplexität sind an dieser Stelle die Abstraktion und Modellierung, der Gebrauch kognitiver Stellvertreter in Form von Zeichen, oder auch die immens wichtige Nutzung von Bildern und bildhaften Präsentationen zu nennen. Führt man sich diese Tatsache vor Augen, verwundert es kaum, dass die Medien eine solch zentrale Stellung in heutigen Gesellschaften einnehmen, dass man diese gar als Medienge­sellschaften bezeichnet. Denn die Medien erfüllen wichtige „politische[...] und soziokulturelle[...] Funktionen für die demokratische Gesellschaft“30 und sorgen damit auch dafür, dass das politische System „seinen politischen Anforderungen gewachsen bleibt.“31 Eine wesentlich zu nennende Funktion für die Gesellschaft ist hierbei die Machtkontrolle, welcher es innerhalb einer demokra­tischen Gesellschaft bedarf und die nun im Kontext der Mediengesellschaft neben den drei klassi­schen Gewalten Exekutive, Legislative und Judikative, nicht zuletzt auch durch die Medien ausge­übt wird, „die deshalb auch 'vierte Gewalt' genannt werden.“32 Nach der Aufzählung dieser höchst weitreichenden aber auch äußerst wichtigen Funktionen, die die Medien erfüllen und auch erfül­len müssen, kann die zuvor noch recht schemenhafte Definition der Mediengesellschaft nun in den Worten Ulrich Saxers um einiges straffer gefasst werden und - idealtypisch - als „hochkom­plexer Typ von moderner, funktional differenzierter Gesellschaft bezeichnet [werden], der von Medialisierung durch und durch geprägt wird.“33 Die Medialisierung der Gesellschaft gründet hierbei „in der Verstärkung von Medialität, d.h. der Kombination von Kommunikationskanälen und Zeichensystemen, die ein konstituierendes Element jeglicher Humankommunikation ist, durch technische Apparatur.“34 Die Medialität wird dabei selbst immer weiter ausdifferenziert und prägt somit die Gesellschaft - die Mediengesellschaft - in entscheidender Art und Weise, sodass diese wiederum als Totalphänomen auf Mikro-, Makro- und Mesoebene Institutionengefüge und Lebenswelten durchwirkt und somit letztlich „vormals definierte Sinn- und Sozialsphären und -konstellationen [durchmischt].“35 Die modernen Gesellschaften sind dieser Fassung nach am effi­zientesten konturiert. Das in ihnen existierende und wirkende Mediensystem ist dabei höchst auto­nom und machtvoll und weist einen eigenen Institutionentypus auf, welcher eine hohe Professio­nalität und Leistungsfähigkeit erreicht hat. Somit stellen die Medien insbesondere aus Sicht der politischen Akteure, einen Handlungsrahmen (constraint) dar, den diese möglichst optimal zu nut­zen versuchen, da aufgrund der beschriebenen Wirkmacht der Medien und des Mediensystems, den Akteuren es durch diese Nutzung besser gelingen kann, „ihre Themen und Deutungen zu poli­tischen Vorgängen (fallweise) durchzusetzen und so Zustimmung zu ihrer Politik [zu] erhalten.“36 Diese mögliche und auch nahezu ständig praktizierte Nutzung der Medien und ihrer Funktions­weisen und Logiken durch sich davon Erfolg versprechende Akteure, stellt das stärkste Argument gegen die oben erwähnte mögliche komplette Zurückdrängung der Politk hinter das Mediensys­tem dar und findet seine praktische Bestätigung nicht zuletzt im außenpolitischen Instrument der Public Diplomacy, welche oftmals eine hohe Indienstnahme der Medien durch die Politik feststel­len lässt.

Von einer Dependenzthese - welche davon ausgeht, dass die Politik ins Schlepptau der Medien geraten sei - kann also keinesfalls die Rede sein. Denn „der durchgehenden Medialisierung demo­kratischer Politiksysteme sind auf jeden Fall institutionelle, prozessuale und strukturelle Grenzen gesetzt.“37 Der institutionelle Kontext sowie dessen Rahmenbedingungen spielen auch in hochgra­dig medialisierten Gesellschaften eine wesentliche Rolle innerhalb der Strukturierung und Beein­flussung politischer Prozesse, sodass die Medien auch in den Mediengesellschaften noch immer als nachgeordnete Instanz zu betrachten sind. Legitimität wird noch immer durch Verfahren ge­wonnen und nicht etwa durch möglichst hohe Medienresonanz. Mit F. Marcinkowski gesprochen, wird „ein politisches System (...) nicht zur Gänze medialisiert sein, (...) sondern sich vielmehr durch Inseln erhöhter und geringer Medialisierung auszeichnen.“38

Von einer sogenannten Funktionalisierungsthese, welche die Medien in Abhängigkeit von der Po­litik sieht, kann allerdings ebensowenig gesprochen werden. Vielmehr ist das genaue Verhältnis von Medien und Politik in den Mediengesellschaften in der Mitte der beiden vorgestellten Thesen zu finden, nämlich in der Interdependenzthese. Diese geht von einer gegenseitigen Abhängigkeit von Politik und Medien aus. Innerhalb dieser Interdependenz stellt sich das Wechselspiel wie folgt dar: „Politiker nutzen den Kontakt zu den Medienvertretern, um Öffentlichkeits- und Aufmerk­samkeitseffekte zu erzielen, Journalisten pflegen den Kontakt, um Zugang zu internen Informatio­nen zu erhalten. Dabei wirkt deren Wechselverhältnis fast wie ein Spiel, in dem beide Seiten ihren Vorteil zu erzielen versuchen.“39 Es lässt sich somit festhalten, dass sich moderne Demokratie und moderne Medien im Gleichklang miteinander entwickeln, beide neue gesellschaftliche Rahmen­bedingungen hervorbringen, denen sich auch beide Systeme anpassen müssen. Dabei verdrängen die neu entstandenen Politikformen die alten ebensowenig, wie die neuen Medien ihre Vorgänger verdrängten, „sondern nötigen diese lediglich zu funktionalen Anpassungen an die sich ändernde Konstellation auf dem Kommunikationsmarkt.“40

Politik und Medien entwickeln sich im Gleichklang, stehen sich dabei allerdings, „zumindest in den modernen und demokratischen Gesellschaften westlicher Ausrichtung als mehr oder minder eigenständige, zumindest als teilautonome Systeme 'gegenüber'.“41 Hieraus ergibt sich aber das Problem, dass Medien-Gewinne immer auch mit Institutionen-Verlusten korrespondieren. Zwar ist dies aufgrund der zuvor erwähnten beschränkten Medialisierbarkeit politischer Systeme stark situationsabhängig, dennoch bleibt dies ein Bereich, der nicht unberührt an der politischen Füh­rung einer solchen Gesellschaft vorbeigehen darf. Das trotzdem bestehende Problem ist nämlich der sich zwar verbal ausdehnende „Raum des Politischen, im Sinne einer Zuständigkeitserklärung für Themen“42, bei allerdings gleichzeitig schrumpfendem tatsächlichen „Handlungsspielraum der Politiker, im Sinne der Durchsetzungsmöglichkeiten.“43 Dem „Bedeutungsschwund des Staates“44 folgt somit ein Schrumpfen der „Spielräume für 'materielle Politik'“45, welche dann durch „politi­sche Rhetorik, symbolische Politik nur unzureichend kompensatorisch ausgeweitet werden“46 können. Dies hat zur Folge, dass die „Anforderungen an das kommunikative Leistungsvermögen der demokratischen Politiksysteme“47 exponentiell anwächst, Legitimität immer kommunikations­abhängiger wird und somit „auch möglichst universelle Medienkompetenz, jedenfalls Fern­sehtauglichkeit, zentrale Rollenressource politischer Akteure [werden], damit diese zumindest eine gewisse Kontrollkompetenz in die mediale Darstellung und Vermittlung von Politik einzu­bringen vermögen.“48

Damit nun, wie schon oben erwähnt, der Mensch - in diesem Falle speziell der Politiker - Herr des Verfahrens bleibt ist eine wohl durchdachte und strategisch angelegte Medienpolitik unum­gänglich. Dies vor allen Dingen um Meinungen zu kanalisieren und im Interesse des eigenen Landes, oder zumindest der vertretenen Gruppe, Themen auf die Agenda setzen zu können. Da­her soll nun im nachfolgenden Schritt die Medienpolitik mit ihren verschiedenen Formen und Ver­fahrensweisen einer näheren Betrachtung unterzogen werden, um daraus später ableiten zu kön­nen, welche Anforderungen im mediengesellschaftlichen System an politische Kommunikation gestellt werden, wie man diesen gerecht werden kann und welche Interaktionen die Systeme Me­dien und Politik miteinander ausführen, damit letztlich beide die von ihnen gesteckten Ziele errei­chen. Eine Medienpolitik bestimmter Ausprägung ist schließlich auch Voraussetzung für Public Diplomacy überhaupt, denn eine Instrumentalisierung oder zumindest gewinnbringende Nutzung eines hochkomplexen Phänomens wie den Medien, ist ohne eine strukturierte Herangehensweise undenkbar, sodass die Frage nach der politischen Steuerung der Medien von hoher Relevanz für die nachfolgenden Betrachtungen sein wird.

[...]


1 Ostrowski, Daniel: Die Public Diplomacy der deutschen Auslandsvertretungen weltweit. Theorie und Praxis der deutschen Auslandsöffentlichkeitsarbeit, Wiesbaden, 2010, S. 15

2 Vgl. Signitzer, Benno: Staaten im internationalen System, in: Jarren, Otfried / Sarcinelli, Ulrich / Saxer, Ulrich (Hrsg.): Politische Kommunikation in der demokratischenGesellschaft. Ein Handbuch mit Lexikonteil, Opladen / Wiesbaden, 1998, S. 496

3 Keohane, Robert O. / Nye, Joseph S.: Power and Interdependence in the Information Age, in: Foreign Affairs, Jg. 77, H. 4, 1998, S. 86

4 Busch-Janser, Sandra / Florian, Daniel: Die neuen Diplomaten? Public Diplomacy und die Rolle von Kommunikationsagenturen in der Außenpolitik, in: Tenscher, Jens / Viehrig, Ulrike (Hrsg.): Politische Kommunikation in internationalen Beziehungen, Berlin, 2007, S. 220

5 Ebd.

6 Ebd. S. 224

7 Ebd. S. 225

8 Ebd.

9 Ebd.

10 Ebd.

11 Ebd.

12 Leonard, Mark / Smewing, Conrad / Stead, Catherine: Public Diplomacy, London, 2002 S. 95

13 Busch-Janser, Sandra / Florian, Daniel: Die neuen Diplomaten? Public Diplomacy und die Rolle von Kommunikationsagenturen in der Außenpolitik, in: Tenscher, Jens / Viehrig, Ulrike (Hrsg.): Politische Kommunikation in internationalen Beziehungen, Berlin, 2007, S. 225

14 Ebd. S. 230

15 Ebd.

16 Ebd.

17 Ebd.

18 Ebd.

19 Ebd. S. 231

20 Mosdorf, Siegmar: Ethisch-kulturelle Herausforderungen der Informationsgesellschaft, in: Funiok, Rüdiger / Schmälzle, Udo F. / Werth, Christoph H. (Hrsg.): Medienethik – die Frage der Verantwortung, Bonn, 1999, S. 117

21 Ebd.

22 Ebd. S. 119

23 Ebd.

24 Ebd. S. 120

25 Ebd. S. 121

26 Ebd. S. 126

27 Schächter, Markus: Medien und Macht – Journalismus in der vernetzten Gesellschaft, in: Vortragsmanuskript der 39. Mainzer Tage der Fernseh-Kritik, Mainz, 2006, abrufbar unter: http://www.mediaculture- online.de/fileadmin/bibliothek/schaechter_journalismus/schaechter_journalismus.pdf (abgerufen am 07.05.2010 um 12:19 Uhr)

28 Kleinsteuber, Hans J.: Mediendemokratie – kritisch betrachtet, in: merz – medien + erziehung, 52. Jahrgang, Heft 4/08, München, 2008, abrufbar unter: http://www.mediacultureonline.de/fileadmin/bibliothek/kleinsteuber_mediendemokratie/kleinsteuber_mediendemok ratie.pdf (abgerufen am 07.05.2010 um 12:25 Uhr)

29 Saxer, Ulrich: Politik als Unterhaltung, Konstanz, 2007, S. 24 f.

30 Schneider, Beate: Mediensystem, in: Jarren, Otfried / Sarcinelli, Ulrich / Saxer, Ulrich (Hrsg.): Politische Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft. Ein Handbuch mit Lexikonteil, Opladen / Wiesbaden, 1998, S. 422

31 Ronneberger, Franz: Die politischen Funktionen der Massenkommunikation, in: Langenbucher, Wolfgang R. (Hrsg.): Zur Theorie der politischen Kommunikation, München, 1974, S. 198

32 Ruß-Mohl, Stephan: Medienjournalismus, Medien-PR und Medienethik, in: Funiok, Rüdiger / Schmälzle, Udo F. / Werth, Christoph H. (Hrsg.): Medienethik – die Frage der Verantwortung, Bonn, 1999, S. 233

33 Saxer, Ulrich: Politik als Unterhaltung, Konstanz, 2007, S. 26

34 Ebd.

35 Ebd. S. 27

36 Jarren, Otfried / Donges, Patrick: Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft: Eine Einführung, Wiesbaden, 2006, S. 19

37 Saxer, Ulrich: Politik als Unterhaltung, Konstanz, 2007, S. 84

38 Ebd. S. 85

39 Kleinsteuber, Hans J.: Mediendemokratie – kritisch betrachtet, in: merz – medien + erziehung, 52. Jahrgang, Heft 4/08, München, 2008, abrufbar unter: http://www.mediacultureonline.de/fileadmin/bibliothek/kleinsteuber_mediendemokratie/kleinsteuber_mediendemok ratie.pdf (abgerufen am 07.05.2010 um 12:25 Uhr)

40 Jarren, Otfried / Donges, Patrick: Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft: Eine Einführung, Wiesbaden, 2006, S. 48

41 Ebd. S. 34

42 Steinmetz, Willibald: Ungewollte Politisierung durch Medien? Die Contergan-Affaire, in: Weisbrod, Bernd (Hrsg.): Die Politik der Öffentlichkeit – Die Öffentlichkeit der Politik. Politische Medialisierung in der Geschichte der Bundesrepublik, Göttingen, 2003, S. 228

43 Ebd.

44 Hoffmann-Riem, Wolfgang / Schulz, Wolfgang: Politische Kommunikation – Rechtswissenschaftliche Perspektiven, in: Jarren, Otfried / Sarcinelli, Ulrich / Saxer, Ulrich (Hrsg.): Politische Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft. Ein Handbuch mit Leixkonteil, Opladen / Wiesbaden, 1998, S. 161

45 Sarcinelli, Ulrich: Symbolische Politik. Zur Bedeutung symbolischen Handelns in der Wahlkampfkommunikation der Bundesrepublik Deutschland, Opladen, 1987, S. 242

46 Ebd.

47 Saxer, Ulrich: Politik als Unterhaltung, Konstanz, 2007, S. 89

48 Ebd. S. 91

Ende der Leseprobe aus 65 Seiten

Details

Titel
Public Diplomacy in der Mediengesellschaft
Untertitel
Chancen und Grenzen am Beispiel des Karikaturenstreits zwischen Polen und Deutschland
Hochschule
Universität Leipzig
Autor
Jahr
2010
Seiten
65
Katalognummer
V174498
ISBN (eBook)
9783640949830
ISBN (Buch)
9783640949946
Dateigröße
789 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Public Diplomacy, Medien, Mediengesellschaft, Kommunikation, Internationale Politik, Informationsgesellschaft, Mediensystem, MEdienpolitik, Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, politische Kommunikation, Politainment
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts Stefan Wagner (Autor:in), 2010, Public Diplomacy in der Mediengesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/174498

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