Kybernetik - Biologische Regelkreise - Mechanismen, Strukturen, Beispiele


Seminararbeit, 2002

20 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1) Allgemeines:
1.1) Definition eines Systems
1.2) Definition eines Regelkreises
1.3) Allgemeine Einführung

2) Funktionsweise von Regelkreisen (am Beispiel des Pupillenregelkreises)
2.1) Aufbau des menschlichen Auges
2.2) Analogie zum technischen Regelkreises
2.3) Der Regelkreis im Detail
2.4) Reaktionen der Pupille
2.4.1) Sprungfunktion
2.4.2) Impulsfunktion
2.4.3) Rampenfunktion
2.4.4) Sinusfunktion

3) weitere Beispiele:
3.1) Regelung des Blutzuckerspiels
3.2) Regelung des pH-Wertes im Darm

4) Literaturverzeichnis

1) Allgemeines

1.1) Definition eines Systems

Ein System ist immer ein künstlicher Ausschnitt einer komplexen, von der Umwelt abgrenzbaren Ansammlung untereinander abhängiger Elemente und deren Beziehungen untereinander. Ein System muss immer eine bestimmte Funktion besitzen (Systemzweck), welche nur durch eine feste Systemstruktur, also die Struktur ihrer Elemente und Wirkverknüpfungen erfüllt wird (Systemintegrität). [Röhler 1973]

1.2) Definition eines Regelkreises (nach DIN 19 226)

Das Regeln - die Regelung - ist ein Vorgang, bei dem eine Grösse, die zu regelnde Grösse (Regelgrösse) fortlaufend erfasst, mit einer anderen Grösse, der Führungsgrösse, verglichen und abhängig vom Ergebnis dieses Vergleichs im Sinne einer Angleichung an die Führungsgrösse beeinflusst wird. Der sich dabei ergebende Wirkungsablauf findet in einem geschlossenen Kreis, dem Regelkreis, statt.

[http://www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/d15/15a.htm]

1.3) Allgemeine Einführung

Ein Anwendungsgebiet der Kybernetik ist es, Analogien zwischen technischen und biologischen Systemen aufzuzeigen und die gewonnenen Kenntnisse, Untersuchungsverfahren und Denkschemata des einen Bereiches auf den anderen zu übertragen und sich daraus ergebende Einsichten zu gewinnen und diese praktisch umzusetzen. Dabei haben sich die Regelungsvorgänge als eine der fruchtbarsten Analogien in diesem Sinne erwiesen, da sie im allgemeinen dazu dienen, den Zustand eines Systems gegen äußere Einflüsse zu stabilisieren.

Der menschliche Organismus verfügt für alle lebenswichtigen Körperfunktionen (z.B. Körpertemperatur, Blutzuckerspiegel, pH-Werte im Körper, usw.) über Regelmöglichkeiten, die innerhalb des Regelbereiches endogene und exogene Einflüsse kompensieren können. Im Organismus selbst existiert schließlich eine komplexe Regelung durch die Vermaschung von Regelkreisen mit dem Ziel der Optimierung der Lebensfunktionen, was an späterer Stelle erläutert werden soll.

Als Beispiel dient hier die Temperaturregelung bei Warmblütern. Die Körpertemperatur muss in gewissen Grenzen konstant gehalten werden und ist meistens wärmer als die Umgebungstemperatur, was zur Folge hat, dass Wärme an die Umgebung abgegeben wird. Als Ausgleich zu diesem Wärmeverlust dienen exergonische Stoffwechselaktivitäten, wodurch Oxidationswärme entsteht. Kommt es zu Änderungen der Umgebungstemperatur oder des Stoffwechsels, so wird auch das Gleichgewicht zwischen erzeugter und abgegebener Wärme verschoben, wodurch sich auch die Körpertemperatur ändern müsste. Durch ein Regelsystem wird dies aber verhindert, indem Kälterezeptoren in der Haut Kälteeinbrüche der Umgebungstemperatur über das zentrale Nervensystem weiterleiten und die Blutgefäße sich als Reaktion verengen, um die Körperoberfläche zu verkleinern, durch welche die Wärme an die Umgebung abgegeben wird. Als Folge nimmt die Abgabe der Körpertemperatur ab und somit das Gleichgewicht wieder hergestellt. Diese und andere Reaktionen (wie das Schwitzen, Kältezittern usw..) ermöglichen es dem Köper, Einfluss auf äußere Veränderungen zu nehmen. Man bezeichnet diese auch als Stellgrößen.

Diesem biologischen Regelsystem entspricht das technische Regelsystem eines Thermostaten, welches mit Hilfe eines Thermometers die Temperatur überwacht und bei Abfallen der Temperatur unter einen Sollwert, ein elektrisches oder mechanisches Signal auslöst, wodurch wiederum die Wärmezufuhr ausgelöst wird.

In beiden Beispielen handelt es sich bei dem zu stabilisierenden Zustand um die Temperatur. Unvorhersehbare Störungen sind in beiden Fällen Schwankungen der Umgebungstemperatur. Ein Regelungsvorgang zeichnet sich aber nicht nur dadurch aus, dass er diesen Störungen entgegen wirkt, sondern durch die ständige Überwachung des Erfolgs solcher Gegenmaßnahmen

Was man unter einem System bzw. einem Regelkreises versteht und wie sie funktionieren, soll hier im Folgenden erläutert werden. [Röhler 1973]

Regulierung der Körpertemperatur

Alle Tiere haben eine ideale Körpertemperatur. Diese Temperatur ist nach oben durch die Denaturierung der Eiweißstoffe, was zu einer Zerstörung der Zellen führt, begrenzt. Nach unten ist die Grenze durch die Bildung von Eiskristallen in Zellen gekennzeichnet. Doch viele biochemische Prozesse besitzen eine optimale Temperatur zwischen diesen beiden Extrema.

Kaltblüter können keinen direkten Einfluss auf ihre Körpertemperatur nehmen. Ihre Körpertemperatur hängt sehr stark von der Umgebung ab. Zur Temperaturregelung können diese Tiere nur das Mikroklima wechseln, d.h. sich an einen andern Ort bewegen.

Warmblüter hingegen können über den Stoffwechsel ihre eigene Temperatur regeln. Sie sind damit unabhängig von der Umwelt. Bereits 1880 konnte gezeigt werden, dass eine Region des Zwischenhirns, der Hypothalamus, für die Temperaturregelung des Körpers verantwortlich ist.

Kommt es bei Warmblütern zu einer Erwärmung des Blutes im Hypothalamus so ist schwitzen, hecheln und keuchen das Resultat. Kommt es umgekehrt zu einer Abkühlung des Blutes und damit des Hypothalamus, so muss der Organismus auf wärmeerzeugendes Verhalten umstellen.

Es kommt zum Zittern, Verengungen der Hautadern und zu einer Anregung der Stoffwechselprozesse um mehr Wärme zu produzieren. Im Hypothalamus befinden sich zwei Gruppen von Neuronen, die empfindlich auf Temperaturabweichungen reagieren. Eine Gruppe reagiert auf die Abweichung in Richtung Kälte, eine andere in Richtung Wärme. Die Abweichung der Temperatur führt zu einer proportionalen Änderung der Feuerfrequenz der beteiligten Strukturen. Diese Neuronengruppen werden von den Wärme- und Kälterezeptoren auf der Haut innerviert. Zusätzlich können die Rezeptoren in Muskeln und Gelenken die wärmeempfindlichen Neuronen erregen, während die kälteempfindlichen Neuronen gehemmt werden. Die einzelnen Gruppen im Hypothalamus können sich gegenseitig hemmen. Auch hier eine tabellarische Zusammenfassung der am Regelkreis beteiligten Komponenten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab.1: Bestandteile des Temperatur-Regelkreises

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Blockschaltbild [ http://www.gesundheit.de/roche/ro40000/r41458.html]

2) Funktionsweise von Regelkreisen: am Beispiel des Pupillenregelkreises (Pupillenreflex)

2.1) Aufbau des menschlichen Auges

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2 [http://mathsrv.ku-eichstaett.de/MGF/homes/didphy/mmoptik/bilder/auge.jpg]

Das Auge besteht im Wesentlichen aus Glaskörper (Corpus vitrum), Regenbogenhaut (Iris), Hornhaut (Cornea), Linse (lens cristallina) und der Netzhaut (Retina).

Licht, das durch die Hornhaut in das Auge einfällt wird durch die Linse auf die Netzhaut fokussiert. Um die Lichtintensität auf der Hornhaut unabhängig von der Außenbeleuchtung bis zu einem gewissen Grade konstant zu halten, d.h. auf einen bestimmten Sollwert zu stabilisieren, wird die Pupillenfläche (ein in der Iris freigelassener Bereich) verkleinert bzw. vergrößert. [Röhler 1973]

2.2) Analogie zum technischen Regelkreis

Der Pupillenregelkreis, wie auch andere biologische Regelkreise ist in seiner Funktionsweise vergleichbar mit einem technischen Regelkreis. Auch hier finden wir Mess-, Regel- und Stellglied. Einen Überblick über die verschieden Größe bezüglich des Pupillenregelkreises gibt folgende Tabelle:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab.1: Bestandteile des Pupillen-Regelkreises

Die Photorezeptoren des Auges (farbempfindliche Zapfen, hell- / dunkelempfindliche Stäbchen) besitzen sowohl eine proportionale als auch eine differentiale Charakteristik. Sie reagieren somit nicht nur auf die Änderung der Lichtintensität sondern auch auf deren zeitlichen Verlauf, also die Änderungsgeschwindigkeit.

In der Reglungstechnik ist dies das Verhalten eines PD-Reglers.

[Röhler 1973]

2.3) Der Regelkreis im Detail

Licht fällt durch die Pupille und wird durch die Linse auf die Netzhaut fokussiert. Die Messwerte der Stäbchen und Zapfen werden über den Sehnerv und andere Nervenbahnen in Form eines elektrischen Potentials S als afferentes Signal an das zentrale Nervensystem weitergeleitet. Hier erfolgt die Informationsverarbeitung. Nach Vergleich mit einem Sollwert S0, wodurch ein Fehlersignal S an bestimmte Nervenzellen gesandt folgt nun die Aussendung eines efferenten Signals zur Irismuskulatur. Dadurch wird die Pupillenfläche A um einen Betrag A verkleinert (Sphinktermuskel) oder vergrößert (Dilatatormuskel). Dies führt zur Änderung der mittleren Netzhautbeleuchtungsstärke B.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.3: Blockschaltbild des Pupillenregelkreises

E ist die mittlere Beleuchtungsstärke der Hornhaut, die mit dem “ungestörten“ Zustand gleichzusetzen ist.

V ist ein Faktor, der die Geometrie der Beleuchtung und die Einheiten bei der Umrechung der Hornhautbeleuchtungsstärke in die Netzhautbeleucht- ungsstärke berücksichtigt. Der Index g weist auf die geometrisch - durch die Pupillenöffnung - bedingte Variation der Netzhautbeleuchtungsstärke hin. Hier gelangt das Einflusssignal in den Regelkreis, indem sich die Hornhautbeleuchtungsstärke um den Betrag E ändert und somit eine Änderung

BS = c · A · E (1)

der Beleuchtungsstärke der Netzhaut bewirkt. A soll die Pupillenfläche im ungestörten Ausgangszustand sein, c ein konstanter Faktor zur Berücksichtigung der Einheiten und der Geometrie.

Die Gesamtänderung der Netzhautbeleuchtungsstärke

B = V · E · A + c · A · E (2)

wird über die Zeit integriert. Das Ergebnis der Integration ist die mittlere Netzhautbeleuchtungsstärke B, aus der wiederum das Potential S zur Steuerung der Pupillenmuskulatur resultiert.

Im Vergleich zu aus der Technik bekannten Regelkreisen und deren Blockschaltbildern (z.B. geregelter Thermostat) erkennt man deutlich die Ähnlichkeiten im Aufbau, so dass die formal gleiche quantitative Behandlung des Pupillenregelkreises gerechtfertigt ist. Das hier dargestellte Blockschaltbild (Abb. 3) ist allerdings stark vereinfacht, da biologische Systeme meist durch sehr viele Komponenten und vermaschte Regelkreise beeinflusst werden. Außerdem bestehen Kopplungen zwischen Komponenten des Regelkreises und des eingehenden Signals, dargestellt durch die gestrichelten Linien im Blockschaltbild. Eine Änderung von A (Pupillenweite) bewirkt auch eine Änderung der Pupillenfläche A im Block von c·A. Dies hat folgenden Einfluss auf die Berechnung des Signals BS aus Gleichung 1.

Es gilt: BS = c · A · E + c · A · E (3)

Durch diese Beziehung geht die Linearität verloren. Nimmt man jedoch A als klein gegenüber A an, so kann man das zweite Glied aus obiger Gleichung (3) für BS vernachlässigen. Analog gilt dies für die Kopplung zwischen E und E.

Während in einem technischen Regelkreis meist nur ein Stellglied wirksam ist, sind es hier zwei. Das Öffnen und Schließen der Pupille wird von zwei verschiedenen Muskeln bewirkt. Zum einen der musculus dilatator (radiär verlaufend) zum anderen der musculus sphincter (ringförmig um die Pupille verlaufend). Die Muskeln werden von verschiedenen Nervenbahnen gesteuert. Die momentane Pupillenweite wird durch ein Gegenspiel beider Muskeln eingestellt. Gewöhnlich ist keiner der beiden Muskeln erschlafft.

Eine Pupillenerweiterung kann folglich sowohl durch Anspannung des Dilatators als auch durch Erschlaffung des Sphincters erreicht werden. Die beiden Stellglieder (beide Muskeln) arbeiten in diesem Regelkreis antagonistisch, was typisch ist für biologische Systeme.

Ein weiteres Problem ist die Einstellung des Sollwertes, was ebenfalls typisch für biologische Regelkreise ist, da meistens kein unveränderlicher Sollwert festgelegt ist. Im Beispiel des Pupillenregelkreises ändert sich der Sollwert der Netzhautbelichtungsstärke bei der Adaptation an z.B. dunkle Lichtverhältnisse in der Umgebung um viele Größenordnungen. Von einer Stabilisierung der Netzhautbeleuchtungsstärke auf einen festen Wert kann also nur gesprochen werden, wenn die Änderung der Lichtverhältnisse gegenüber der neuronalen Adaptation schnell verlaufen. Die schnell verlaufende Pupillenreaktion (~0.2s) ist auch gegenüber der langsameren Adaptation von physiologischem Nutzen, da der Bereich der Regelung der Pupillenweite (ca. 2.5 mm bis 7.8 mm) nur eine Veränderung der Netzhautbeleuchtungsstärke um eine Zehnerpotenz bewirkt. Der gesamte Adaptationsbereich des Auges wird also nicht überdeckt. Wie bereits erwähnt, wird die Pupillenweite nicht nur von der Beleuchtungsstärke der Netzhaut beeinflusst, sondern auch vom Erregungszustand des Synaptikus und Parasynaptikus. Außerdem beeinflusst die Akkomodation (funktionelle Anpassung des Auges an die jeweilige Aufgabe) ebenfalls die Größe der Pupillenfläche.

Es greifen also, wie bei den meisten biologischen Systemen mehrere Regelkreise ineinander, was die Darstellung eines Regelkreises im Allgemeinen schwierig gestaltet. Interpretationen und Folgerungen aus Blockschaltbildern biologischer Regelsysteme müssen deshalb mit größter Vorsicht und Sorgfalt bewertet werden. [Röhler 1973]

2.4) Reaktionen der Pupille

Der Mechanismus der Pupille kann, wie dynamische technische Systeme auch, mit Hilfe verschiedener Eingangssignale beschrieben und untersucht werden.

Die linke Grafik zeigt jeweils die Änderung der Lichtintensität, also der Beleuchtungsstärke der Netzhaut (Eingangsfunktion). Im Diagramm ist die Beleuchtungsstärke über die Zeit dargestellt.

Die rechte Grafik zeigt die Reaktion der Pupille (Ausgangsfunktion), wobei auf der x-Achse jeweils die Zeit aufgetragen ist und auf der y-Achse der Kehrwert der Pupillenweite. [Niethammer 1997]

2.4.1) Sprungfunktion

Die Pupille reagiert auf die Sprungfunktion erst nach einer gewissen Verzögerung, der Latenz - oder Reflexzeit. Diese beträgt 0.20s bis 0.25s. Die Pupillenweite pendelt sich auf eine bestimmte Größe ein, bleibt jedoch nicht dauerhaft auf dieser Größe, sondern weitet sich im Verlauf von mehreren Minuten. Das Auge passt sich also der veränderten Lichtstärke an (Adaption). Die Ausgangsreaktion biologischer wie technischer Systeme auf einen solchen Sprung nennt man Sprungantwort. [Niethammer 1997]

2.4.2) Impulsfunktion

Gibt man auf das dunkel adaptierte Auge einen Lichtimpuls (Lichtblitz), so reagiert die Pupille mit einer Impulsantwort. Die Pupillenfläche verringert sich nach der oben erwähnten Reflexzeit relativ schnell und vergrößert sich anschließend wieder, jedoch langsamer. [Niethammer 1997]

2.4.3) Rampenfunktion

Die Pupille reagiert auf den gleichmäßigen Anstieg der Lichtintensität mit einer, wegen der Reflexzeit, nach rechts verschobenen Ursprungsgeraden. Sie verengt sich weiter mit zunehmender Lichtstärke. [Niethammer 1997]

2.4.4) Sinusfunktion

Wird als Eingangsfunktion eine sinusförmige Anregung gewählt, reagiert die Pupille ebenfalls mit einer Sinusform, allerdings phasenverschoben bezüglich des Eingangssignals. Die Amplitude des Ausgangsignals verringert sich mit ansteigender Frequenz des Eingangssignals. Bei sehr hohen Frequenzen wird die Ausgangsamplitude folglich zu Null, d.h. die Pupille reagiert nicht mehr auf das Eingangssignals. Sehr niedrige Frequenzen führen hingegen zu einer Abweichung von der Sinusform, da die Pupille schneller auf Licht, als auf Verdunklung reagiert. Die Reflexzeiten sind unterschiedlich, da es sich bei Erweiterung und Verengung der Pupille genau genommen um zwei Regelkreise handelt. Frequenzen zwischen 0.2Hz und 3Hz ergeben einen näherungsweise linearen Anstieg der Phasenverschiebung. Eine Reizfrequenz von ~1.2Hz führt zu einer Fehlerreaktion der Pupille. Die Phasenverschiebung bewirkt dann, dass die Pupille gerade dann ihre größte Weite erreicht, wenn die Lichtintensität ein Maximum hat und umgekehrt. [Niethammer 1997]

3) Weitere Beispiele

3.1) Regelung des Blutzuckerspiegels

Die Regelung des Blutzuckerspiegels im menschlichen Körper ist ein äußerst komplexes ystem. Ziel ist die Homöostase, also ein konstanter Glucosespiegel im Blut. Wie bei biologischen Regelsystemen üblich, handelt es sich auch bei der Regulation des Blutzuckerspiegels um mehrere vermaschte Regelkreise (mindestens zwei, wie im Blockschaltbild zu sehen ist), einer mit dem Regelglied in der Bauchspeicheldrüse, und ein zweiter mit dem Regelglied im Hypothalamus.

Der Zuckergehalt im Blut wird ständig überprüft und geregelt. Der Sollwert liegt im Bereich im Bereich von 80-120 mg Zucker/100 ml Blut. Ist die Konzentration zu niedrig, spricht man von Hypoglykämie (Unterzuckerung), ist sie zu hoch, von Hyperglykämie (Überzuckerung). Übersteigt der Blutzuckerspiegel einen Wert von ~180 mg/100 ml, wird Zucker über die Niere in den Harn ausgeschieden ("Nierenschwelle").

Messglieder des Glucose-Regelkreises sind Glucoserezeptoren, die in der Bauchspeicheldrüse sowie im Hypothalamus befinden. Zahlreiche Störgrößen können auf den Blutzuckerspiegel einwirken. Erhöhend wirkt die Kohlenhydratzufuhr mit der Nahrung (Kohlenhydrat im Körper in Glucose - Monomere gespalten). Der Energiebedarf des Meta- und Anabolismus hingegen senkt den Blutzuckerspiegel. Dieser ist von der momentanen Aktivität (Ruhe, normale Bewegung, Sport) einer Person stark abhängig.

Ist die Konzentration von Glucose im Blut zu niedrig, kann Blutzucker durch den Abbau von Glycogen aus der Leber schnell nachgeliefert werden. Die Regulation erfolgt im Wesentlichen über zwei antagonistisch wirkende Hormone, die in den Langerhansschen Inseln der Bauchspeicheldrüse gebildet werden:

Das Glucagon aus den -Zellen der Langerhansschen Inseln führt zu einer Erhöhung des Zuckerspiegels im Blut. Erreicht wird dies durch den Abbau von Glykogen aus Leber und Muskeln.

Das Insulin aus den ß-Zellen der Langerhansschen Inseln löst eine Erniedrigung durch Oxidation der Glucose oder Aufbau von Glykogen in Muskeln und Leber aus. Die Ausschüttung dieser beiden Hormone wird ebenfalls durch die beiden vermaschten Regelkreise beeinflusst. Außerdem wirken noch einige weitere Hormone auf die Regelung ein:

- Adrenalin aus dem Nebennierenmark
- Glucocorticoide aus der Nebennierenrinde
- Thyroxin aus der Schilddrüse

Diese drei Hormone werden nicht durch die Bauchspeicheldrüse beeinflusst. Sie bewirken einen Anstieg der Glucosekonzentration im Blut. Adrenalin ist z.B. zuständig für die schnelle Bereitstellung von Glucose in Stress- und Notsituationen durch Abbau von Glyogen in Muskeln und Leber. Einen Überblick, der an der Regulation des Blutzuckers beteiligten Instanzen zeigt folgende Tabelle:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab.3: Bestandteile des Blutzuckerregelkreises

[http://www.uni-giessen.de/~gf1002/institut/software/autascii.htm]

Blockschaltbild:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.4: [Linder Biologie 1983 S. 252]

3.2 Regelung des pH-Wertes im Darm (Sekretinregelkreis)

Aufgenommene Nahrung wird im Magen mit ~0,5%iger Salzsäure (pH 0.2 - 2.0) versetzt und gelangt so mit einem pH-Wert ~3.0 in den Dünndarm. Hier muss der niedrige pH-Wert erhöht werden, da starke Säuren eiweissdenaturierend wirken. Eine Schädigung der Darmwand und auch der Darmflora wären die Folgen.

Durch die im Nahrungsbrei enthaltene Säure wird in der Darmschleimhaut die Freisetzung des Polypeptids Sekretin angeregt. Sekretin wirkt als Gewebshormon des Dünndarmes. Es wird in den Schleimhautzellen der Darmwand nach deren Kontakt mit Salzsäure oder in der Gallenflüssigkeit aus Prosekretin gebildet und ins Blut abgegeben. Durch die Blutbahn verteilt es sich im ganzen Körper und gelangt auch zu Zellen des Pankreas (Bauchspeicheldrüse) und zu Drüsenzellen in der Darmwand. Dort wird die Ausscheidung großer Mengen Verdauungssaft mit hohem Bicarbonatgehalt und geringer Enzymkonzentration induziert.

Neben der Wirkung auf die Bauchspeicheldrüse und die Darmwand erhöht Sekretin auch die Menge der Gallenflüssigkeit und deren Bicarbonatgehalt. Der alkalische Verdauungssaft neutralisiert den Nahrungsbrei im Dünndarm und schafft so das optimale pH-Milieu für die Wirkung seiner Verdauungsenzyme. Auf diesem Wege regt also Speisebrei im Dünndarm selbst die Sekretion von Verdauungsenzymen durch die Bauchspeicheldrüse an.

Das Hormon Sekretin ist der Träger einer Information über den Säuregrad des Darminhaltes (eine physikalisch-chemische Messgröße). Es stellt also einen funktionellen Anteil eines biologischen Regelkreises.

Die Glieder dieses Regelkreises zeigt nachfolgende Tabelle:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab.4: Bestandteile des Sekretinregelkreises

[http://www.uni-giessen.de/~gf1002/institut/software/autascii.htm]

Das Beispiel zeigt, dass der oft verwendete regeltechnische Ausdruck "Störung" bzw. “Störgröße“ in diesem Fall nichts mit einer schädigenden Wirkung auf den Menschen zu tun hat. Hier wird ein Regelprozess dazu benötigt, eine Einstellung des pH-Wertes durchzuführen, die zwischen zwei vom Organismus selbst erzeugten Werten (stark sauer im Magen und neutral im Darm) erfolgt.

Durch die Magensäure wird ein optimaler pH-Wert für die Verdauungsvorgänge im Magen geschaffen, z.B. liegt das pH-Optimum von Pepsin (ein Enzym des Magens) bei 1.2 bis 1.8. Pepsin zeigt ab pH 4.9 fast keine Wirkung mehr.

Die anschließende Neutralisierung durch Bicarbonat im Dünndarm schafft wiederum optimale Bedingungen für dort vorhandene Enzyme.

Im Falle des Sekretinregelkreises handelt es sich um eine stetige Regelung.Der pH-Wert im Darm wird ständig von den pH-sensiblen Zellen gemessen. Fällt er unter dem Sollwert, wird über die Ausschüttung von Sekretin die Produktion von stark bicarbonathaltigem Verdauungssaft und Bauchspeichel in Gang gesetzt und damit die Säure neutralisiert und auf einen pH-Wert von 7.0 - 7.5 eingestellt.

Auch dieser Regelkreis ist etwas vereinfacht dargestellt. Wie schon erwähnt, greifen bei biologischen Regelsystemen meist mehrere Regelkreise bzw. Einflussgrößen ineinander. Durch den Abbau von Oligosacchariden durch die Mikroorganismen des Darms entstehen Säuren, die den Regelkreis natürlich beeinflussen. Zudem ist der pH-Wert im langen Darm eines Säugetiers nicht überall gleich. Auch Art und Umfang der Darmflora sowie Ernährungsgewohnheiten können den pH-Wert des Darmes beeinflussen. Krankheiten wie Darmentzündungen oder Darmkrebs können den pH-Wert im Darm dauerhaft nach oben verschieben. Auch bei Erkrankungen des Pankreas oder der Galle kann der Sekretinregelkreis empfindlich gestört werden.

Quellen:

Bücher:

Linder Biologie, J.B.Metzlersche Verlagsbuchhandlung, 19. Auflage

R. Glaser, Biophysik, Gustav Fischer - Verlag, Jena 1996, 4. Auflage

Roche Lexikon Medizin, Hoffmann - La Roche AG und Urban & Schwarzenberg - Verlag, 3. Auflage

R. Röhler, Biologische Kybernetik, B.G. Teubner - Verlag, Stuttgart 1974 S.37 - 40, 63 - 65, 90 - 93, 119 - 123

Webpages

http://www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/d15/15a.htm

3. Mai 2003, 23.00 Uhr

http://www.ces.ka.bw.schule.de/lehrer/culm/messtechnik/regeln/regeln1.htm

10. Juni 2003, 23.00 Uhr

http://www.dge.de/Pages/navigation/fach_infos/dge_info/2001/bp1101.html

4. Mai 2003, 21.00 Uhr

http://www.gesundheit.de/roche/ro40000/r41458.html

10. Juni 2003, 00.30 Uhr

http://www.uni-giessen.de/biodidaktik/institut/software/autascii.htm

3. Mai 2003, 23.30 Uhr

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Kybernetik - Biologische Regelkreise - Mechanismen, Strukturen, Beispiele
Hochschule
Fachhochschule Bingen
Veranstaltung
Kybernetik
Note
2.0
Autoren
Jahr
2002
Seiten
20
Katalognummer
V107990
ISBN (eBook)
9783640061945
Dateigröße
1118 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kybernetik, Biologische, Regelkreise, Mechanismen, Strukturen, Beispiele, Kybernetik
Arbeit zitieren
F. Köhl (Autor:in)Christian von Behren (Autor:in), 2002, Kybernetik - Biologische Regelkreise - Mechanismen, Strukturen, Beispiele, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107990

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